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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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verloren, seit sie auf dem Friedhof lebte. Jetzt waren sie Freunde.
    »Die Ärmste, sie hat den Verstand verloren«, raunte Alex Nadia zu.
    Aber Nana-Asante hatte den Verstand keineswegs verloren, vielmehr war sie durch diese Jahre in der Abgeschiedenheit außerordentlich hellsichtig geworden. Sie war über alles im Bilde, was in Ngoubé vorging, sie wusste von Kosongo und seinen zwanzig Ehefrauen, von Mbembelé und seinen zehn Soldaten der Bruderschaft des Leoparden, von Sombe und seinen Dämonen. Sie wusste, dass die Dorfbewohner es nicht wagten, den dreien die Stirn zu bieten, weil jedes Zeichen von Widerstand mit grausamen Qualen geahndet wurde. Sie wusste, dass die Pygmäen versklavt waren, dass Kosongo ihnen das heilige Amulett gestohlen hatteund Mbembelé ihre Kinder verkaufte, wenn sie ihm kein Elfenbein lieferten. Und sie wusste schon seit Tagen, dass Ausländer auf der Suche nach den Missionaren nach Ngoubé gekommen waren, dass die beiden Jüngsten aus der Gruppe aus dem Dorf geflohen waren und kommen würden, um sie zu besuchen. Sie hatte Alex und Nadia erwartet.
    »Wie hat sie das wissen können!« Alex sah Nadia fassungslos an, und sie übersetzte seine Frage.
    »Die Ahnen haben es mir gesagt. Sie wissen viel. Sie sind nicht nur nachts unterwegs, wie alle glauben, sondern durchstreifen auch am Tag mit anderen Geistern der Natur die Welt der Lebenden und der Toten. Sie wissen, dass ihr sie um Hilfe bitten wollt«, antwortete Nana-Asante.
    »Werden sie ihren Nachfahren beistehen?«
    »Das weiß ich nicht. Ihr müsst selbst mit ihnen reden«, entschied die Königin.
    Über den Saum der Lichtung schob sich gelb und strahlend ein großer voller Mond. Während er schien, geschah etwas Magisches auf dem Friedhof, etwas, das Alexander und Nadia für immer in Erinnerung bleiben sollte.
    ~
    Als wäre der Friedhof vom Flutlicht eines Stadions erhellt, konnten Alex und Nadia plötzlich alles sehr klar erkennen. Zum ersten Mal, seit sie afrikanischen Boden betreten hatten, froren sie. Bibbernd vor Kälte und Furcht rückten sie nahe zusammen. Sie hörten ein anschwellendes Summen wie von Bienen, und unter ihren staunenden Blicken füllte sich der Friedhof mit durchsichtigen Schemen. Sie waren umringt von Geistern, von gestaltlosen Wesen, die zwar vage an Menschen erinnerten, sich aber unablässig wandelten, verwehten wie Schwaden aus Rauch. Sie waren nicht nackt und auch nicht bekleidet, sie hatten keine Farbe, und doch leuchteten sie.
    Das alles durchdringende, melodische Bienengesumm schwang Nadia und Alex in den Ohren, und sie verstanden, dass es eine Sprache ohne Worte war, die Bilder in ihrem Kopf entstehen ließ.Nichts mussten sie den Geistern erklären, nichts ihnen berichten, um nichts mit Worten bitten. Diese luftgleichen Geschöpfe wussten, was geschehen war und was geschehen würde, denn in ihrer Sphäre gab es die Zeit nicht. Dort wandelten die Seelen der Verstorbenen und derer, die noch nicht geboren waren, Seelen, die für unbestimmte Dauer Geister bleiben, und andere, die bald schon greifbare Gestalt auf der Erde oder einem anderen Planeten annehmen würden, hier oder an einem anderen Ort.
    Die Geister ließen Nadia und Alex wissen, dass sie nur selten in die Geschicke der fassbaren Welt eingriffen, auch wenn sie zuweilen Tieren durch Vorahnungen halfen und die Menschen durch Phantasie, durch Träume, schöpferische Anregung und spirituelle oder mystische Erkenntnisse unterstützten. Weil aber die meisten Menschen ohne Verbindung zu ihnen lebten, übersahen sie die Zeichen, Zufälle, Hinweise und kleinen Wunder des Alltags, in denen sich das Übernatürliche ausdrückt. Entgegen der landläufigen Meinung waren die Geister nicht für Krankheit, Unglück oder Tod verantwortlich, das Leid war die Folge der Schlechtigkeit und Unwissenheit der Lebenden. Auch zerstörten sie nicht diejenigen, die in ihre Gefilde vordrangen oder sie erzürnten, denn sie besaßen keine Gefilde und empfanden niemals Zorn. Opfergaben, Geschenke und Gebete erreichten sie nicht und dienten einzig dazu, den Menschen ihre Ängste zu nehmen.
    Es ließ sich nicht ermessen, wie lange das stumme Zwiegespräch mit den Geistern währte. Kaum merklich wandelte sich das Licht, und alles öffnete sich einer höheren Sphäre. Die Mauer, über die Alex und Nadia geklettert waren, um auf den Friedhof zu gelangen, verschwand, und sie fanden sich mitten im Wald, der jedoch nicht derselbe schien wie zuvor. Nichts war wie zuvor, alles war

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