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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Zustand des alten Mannes, der ihren Stamm vermutlich jahrzehntelang angeführt hatte, sehr verstört und befolgten die Anweisungen widerspruchslos. Zwei von ihnen hoben die Bahre an, und unter Tahamas Führung setzten sie ihren Marsch noch eine halbe Stunde am Ufer des Flusses fort, bis Mokarita ihnen ein Zeichen gab und sie eine Rast einlegten.
    Der Aufstieg hatte mehrere Stunden gedauert, und jetzt waren alle erschöpft und hungrig. Mit Pfeil und Bogen bewaffnet, verschwanden Tahama und zwei weitere Männer im Wald und kehrten wenig später mit einigen Vögeln, einem Gürteltier und einem Affen zurück. Der Affe lebte noch, war aber durch das Curare gelähmt; ein Hieb mit einem Stein machte ihm den Garaus, während sich Borobá zu Tode erschrocken unter Nadias T-Shirt flüchtete. Die Indianer entzündeten ein Feuer, indem sie zwei Steine gegeneinander schlugen, bis der Funken in ein Büschel trockenen Reisigs übersprang – bei den Pfadfindern hatte Alex das vergeblich versucht –, spießten die Beutetiere auf Stöcke und brieten sie. Es gehörte sich nicht und brachte Unglück, wenn der Jäger von dem Tier aß, das er selbst erlegt hatte, also musste er warten, bis ihm ein anderer etwas von seiner Beute anbot. Tahama hatte alles geschossen außer dem Gürteltier, und das Abendessen zog sich bei all den strengen Förmlichkeiten des Essenstauschs ziemlich in die Länge. Als endlich auch Alex etwas in die Hand gedrückt bekam, schlang er das Fleisch mitsamt Federn oder Haaren, die noch daran hingen, hinunter und fand es köstlich.
    Noch würde es einige Stunden dauern, bis die Sonne unterging, und hier auf der Hochebene war der Wald nicht so dicht wie imTiefland, so dass sie auch später noch etwas Dämmerlicht haben würden. Nachdem sich Tahama und Mokarita lange mit den Übrigen beraten hatten, brach die Gruppe erneut auf.
    ~
    Tapirawa-teri, das Dorf der Nebelmenschen, tauchte so unvermittelt im Wald auf, als wäre es wie seine Bewohner in der Lage, sich sichtbar und unsichtbar zu machen. Es war durch eine Gruppe von Paranussbäumen geschützt, mächtigen Urwaldriesen, deren Stämme zehn Meter dick werden können. Wie große Schirme spannten sich ihre Baumkronen über das Dorf. Tapirawa-teri sah nicht so aus, wie Alex sich ein Schabono vorgestellt hatte, aber er vermutete schon länger, dass die Nebelmenschen sich sehr von den anderen Indianern im Amazonasgebiet unterschieden und kaum Kontakt zu fremden Stämmen hatten. Sie lebten nicht in einer weitläufigen, runden Gemeinschaftshütte mit Innenhof, sondern in kleinen Behausungen aus Lehm, Steinen, Ästen und Palmblättern, die mit Zweigen und Gebüsch getarnt waren, so dass sie sich völlig in den Wald einfügten. Man konnte ein paar Meter davor stehen, ohne zu ahnen, dass sich da eine von Menschen erschaffene Siedlung befand. Dieses Dorf ist aus der Luft unmöglich zu erkennen, dachte Alex, man sieht es ja kaum, wenn man mitten darin ist, und hier gibt es kein großes Dach und keinen gerodeten Platz wie bei einem Schabono. Bestimmt hatten sich die Nebelmenschen deshalb vor allen Eindringlingen schützen können. Weder die Armeehubschrauber noch César Santos mit seinem Flugzeug würden sie je hier herausholen.
    Das Dorf war genauso unwirklich wie seine Bewohner. Nicht nur die Hütten konnte man kaum erkennen, auch alles andere verschwamm oder wirkte durchsichtig. Hier schienen Gegenstände und Menschen ihre klaren Umrisse zu verlieren und nur noch dem Reich der Illusion anzugehören. Wie Spukgestalten tauchten aus dem Nichts Frauen und Kinder auf, um die Krieger zu begrüßen. Alle waren klein, hatten hellere Haut als die Indianer im Tiefland und bernsteinfarbene Augen; leichtfüßig kamen sie näher, schwebend, fast schwerelos. Ihre nackten Körper waren bemalt, Federnund Blumen schmückten ihre Arme und Ohren. Als sie die beiden fremdartigen Besucher sahen, erschraken die kleinen Kinder und fingen an zu weinen, und auch die erwachsenen Frauen wagten sich nicht weiter, obwohl ihre bewaffneten Männer da waren.
    »Zieh dich aus, Jaguar«, sagte Nadia, die ihre kurze Hose, ihr T-Shirt und dann ihre Unterwäsche abstreifte.
    Ohne nachzudenken, machte Alex es ihr nach. Noch vor ein paar Wochen hätte er es hochnotpeinlich gefunden, sich vor anderen Leuten auszuziehen, aber hier kam ihm das ganz normal vor. Schämen musste sich nur, wer als Einziger etwas anhatte. Wie selbstverständlich betrachtete er seine nackte Freundin, obwohl er früher schon rot geworden

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