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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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auf der Reise hatten sich die beiden ineinander verliebt, und als der Ritus des unokaimú beendet war, wollte sich der Geist der Frau nicht von ihm trennen und blieb in der Welt des Mannes, den sie liebte. Seither musste fast ein Jahrhundert vergangen sein, in dem sie Walimai immer begleitet hatte und auf den Moment wartete, in dem er mit ihr als Geist würde davonfliegen können.
    Mit Walimais Ankunft legte sich die Spannung in Tapirawa-teri, und dieselben Krieger, die Alex eben noch hatten massakrieren wollen, waren mit einem Mal freundlich zu ihm. Der große Schamane wurde geschätzt und gefürchtet, denn er besaß die übernatürliche Gabe, die Zeichen zu deuten. Alle hatten ja Träume und Visionen, aber nur einige wenige wie Walimai konnten in die Welt der höher stehenden Geister reisen, lernten dort, was die Visionen einem sagen wollten, und konnten so die anderen leiten und Unglück von ihnen abwenden.
    Der Greis sagte, Alex besitze die Seele des schwarzen Jaguars, eines heiligen Tieres, und sei von weit her gekommen, um den Nebelmenschen zu helfen. Dies seien sehr sonderbare Zeiten, Zeiten, in denen die Grenze zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt sich verwische, Zeiten, in denen der Rahakanariwa alle zu verschlingen drohe. Er sprach von den Nahab, von deren Leben die meisten Nebelmenschen nur wussten, was ihnen Angehörige anderer Stämme in den tiefer gelegenen Flusstälern erzählt hatten. Die Krieger aus Tapirawa-teri hatten die Expedition des International Geographic zwar tagelang beobachtet, aber überhaupt nicht verstanden, was diese merkwürdigen Fremden taten. Walimai, der in seinem langen Leben viel gesehen hatte, berichtete, was er wusste.
    »Die Nahab sind wie Tote, aus ihrer Brust ist die Seele geflohen. Sie wissen weniger als nichts, sie können keinen Fisch mit einer Lanze durchbohren, keinen Affen mit einem Blasrohr erlegen, und jeder Baum ist ihnen zu hoch. Sie kleiden sich nicht in Luft und Licht wie wir, sondern hüllen sich in stinkende Stoffe. Sie baden sich nicht im Fluss, achten die Gesetze der Bescheidenheit und Höflichkeit nicht, sie teilen nicht ihr Haus, nicht ihr Essen, ihre Kinder und Frauen. Ihre Knochen sind weich, und einleichter Knüppelhieb spaltet ihnen den Schädel. Sie töten Tiere, und essen sie nicht, sie lassen sie liegen, bis sie verfaulen. Wo sie ihren Fuß hinsetzen, bleiben Unrat und Gift zurück, selbst das Wasser in ihrer Nähe wird schmutzig. Die Nahab sind so verrückt, dass sie dem Boden die Steine stehlen wollen, den Flüssen den Sand, dem Wald die Bäume. Manche wollen die Erde mitnehmen. Wir sagen ihnen, dass man den Wald nicht wie einen toten Tapir auf den Schultern wegtragen kann, aber sie hören nicht zu. Sie sprechen nicht von ihren Göttern und wollen nichts von unseren wissen. Sie sind gefräßig wie Kaimane. Diese Schrecken habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen, ich habe sie mit meinen eigenen Ohren gehört und mit meinen eigenen Händen angefasst.«
    »Diese teuflischen Dämonen dürfen das Auge der Welt niemals betreten; wenn sie den Wasserfall überwinden, töten wir sie mit unseren Bogen und Blasrohren, wie alle Fremden seit der Zeit der Großväter unserer Großväter«, sagte Tahama.
    Alex war über diesen Vorschlag so entsetzt, dass die Worte wie von selbst sprudelten: »Sie werden trotzdem kommen. Die Nahab besitzen Vögel, die Donner machen und Wind, sie können über die Berge fliegen. Sie kommen bestimmt, denn sie wollen die Steine, die Bäume und die Erde.«
    »Das stimmt«, sagte Walimai.
    »Die Nahab können auch mit Krankheiten töten. Viele Stämme sind so gestorben, aber die Nebelmenschen können sich retten«, sagte Nadia.
    »Hört auf das Mädchen mit der honigfarbenen Haut, denn sie weiß, wovon sie spricht. Der Rahakanariwa nimmt häufig die Gestalt einer schweren Krankheit an«, bestätigte Walimai.
    »Sie ist mächtiger als der Rahakanariwa?« Tahama machte große Augen.
    »Ich nicht, aber eine Nahab-Frau ist sehr mächtig. Sie besitzt ein Mittel gegen die tödlichen Krankheiten«, sagte Nadia.
    Bestimmt eine Stunde lang redeten Nadia und Alex auf die Indianer ein, um ihnen klar zu machen, dass nicht alle Nahab teuflische Dämonen, sondern manche auch Freunde waren, wie etwa die Ärztin Omayra Torres. Die Schwierigkeiten mit der Sprache waren ein Klacks, verglichen mit denen, die sich ergaben, weil dieIndianer ganz andere Erklärungen für das Kranksein hatten als sie. Wie sollten sie ihnen begreiflich machen, was

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