Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Schwingen über die Dächer der kleinen, im Wald versteckten Hütten. Dann beschrieb sie einen Bogen und hielt auf den höchsten der Tepuis zu, wo in ihrem sturmgepeitschten Nest drei Eier aus Kristall schimmerten.
    ~
    Am nächsten Morgen, nachdem die Pforte zum Reich der Totemtiere wieder hinter ihnen zugefallen war, erzählten sich Alex und Nadia, was sie erlebt hatten.
    »Was sollen denn diese drei Eier bedeuten?«, fragte Alex.
    »Das weiß ich auch nicht, jedenfalls sind sie wichtig, Jaguar. Sie gehören mir nicht, aber irgendwie muss ich sie trotzdem bekommen, wenn ich die Nebelmenschen retten will.«
    »Das verstehe ich nicht. Was haben die mit den Indianern zu tun?«
    »Irgendwie haben sie alles mit ihnen zu tun …« Nadia war genauso verwirrt wie er.
    Als die Scheite des Feuers zu erkalten begannen, suchte Iyomi, Mokaritas Witwe, zwischen ihnen nach den ausgeglühten Knochen des alten Häuptlings, zermahlte sie zwischen zwei Steinen und verrührte das feine Pulver mit Wasser und Kochbananen zu einer Suppe. Die Kalebasse mit der grauen Flüssigkeit ging von Hand zu Hand, und alle, auch die Kinder, sollten einen Schluck davon nehmen. Danach würde das Gefäß vergraben und der Name des Häuptlings vergessen, um von niemandem je wieder genannt zu werden. Die Erinnerung an den Toten war genau wie sein Mut und seine Weisheit in die Asche übergegangen und würde sich durch sie auf seine Angehörigen und Freunde übertragen. Auch Nadia und Alex durften von der Knochensuppe trinken, und das war eine Ehre: Nun gehörten sie zum Stamm. Als er die Kalebasse an die Lippen führte, musste Alex kurz an das denken, was er über diese Krankheit gelesen hatte, die man bekommt, wenn man »dasHirn seiner Vorfahren verspeist«. Er schüttelte innerlich den Kopf darüber, schloss die Augen und trank andächtig.
    Als die Bestattungszeremonie beendet war, forderte Walimai den Stamm auf, einen neuen Häuptling zu ernennen. Der Tradition zufolge kamen nur Männer für dieses Amt in Frage, aber Walimai erklärte, dieses Mal müssten sie mit sehr viel Bedacht auswählen. Ihnen ständen außergewöhnliche Zeiten bevor, in denen ein Häuptling die Fähigkeit haben müsse, die Geheimnisse anderer Welten zu verstehen, mit den Göttern zu sprechen und den Rahakanariwa in Schach zu halten. Das seien Zeiten, in denen sechs Monde am Himmel kreisten, Zeiten, in denen sich die Götter gezwungen sähen, ihre Wohnstatt zu verlassen. Bei der Erwähnung der Götter legten die Indianer die Hände an die Stirn und wiegten sich vor und zurück, während sie einen Singsang anstimmten, der sich für Nadia und Alex wie ein Gebet anhörte.
    »Alle in Tapirawa-teri, auch die Kinder, sollten dabei helfen, den neuen Häuptling zu bestimmen«, riet Walimai dem Stamm.
    Den ganzen Tag verbrachten die Indianer damit, mögliche Kandidaten zu nennen und zu verhandeln. Als es Abend wurde, schliefen Nadia und Alex ein, hungrig, mit ihren Kräften und ihrer Geduld am Ende. Alex hatte den Indianern erklären wollen, wie man eine demokratische Wahl durchführt, aber sie konnten nicht zählen und sich eine Abstimmung genauso wenig vorstellen wie eine Impfung. Bei ihnen wurde durch »Visionen« gewählt.
    Es war schon dunkle Nacht, als Nadia und Alex von Walimai mit der Nachricht geweckt wurden, die stärksten Visionen hätten von Iyomi, Mokaritas Witwe, gesprochen, deshalb sei sie fortan Häuptling in Tapirawa-teri. Keiner konnte sich erinnern, dass jemals eine Frau diese Aufgabe übernommen hatte.
    ~
    Der erste Befehl, den die greise Iyomi erteilte, nachdem sie die Federkrone aufgesetzt hatte, die so viele Jahre von ihrem Mann getragen worden war, lautete, Essen zu machen. Die Anweisung wurde unverzüglich in die Tat umgesetzt, denn die Nebelmenschen hatten seit zwei Tagen nichts zu sich genommen außereinem Schluck Knochensuppe. Tahama und einige andere Jäger nahmen ihre Waffen und verschwanden im Wald, um einige Zeit später mit einem Ameisenbären und einem Hirsch zurückzukehren, die zerlegt und über der Glut gebraten wurden. Unterdessen hatten die Frauen Maniokfladen und Kochbananen zubereitet. Als alle gesättigt waren, gebot Iyomi ihrem Stamm, sich im Kreis niederzulassen, und verkündete ihre zweite Entscheidung.
    »Ich benenne weitere Häuptlinge. Ein Häuptling für den Krieg und die Jagd: Tahama. Ein Häuptling, um den Rahakanariwa zu besänftigen: das Mädchen mit der honigfarbenen Haut, deren Name Aguila ist. Ein Häuptling, um mit den Nahab und ihren

Weitere Kostenlose Bücher