Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Holzknüppel über, während Frauen und Kinder um sie herumsprangen und sie anfeuerten. Das ist das Ende, dachte Alex, und wie ein Blitz durchzuckte ihn das Bild seiner Mutter, während er immer tiefer und tiefer in den Wald floh.
    Alex war weder so schnell noch so ausdauernd wie diese indianischen Krieger, aber in ihrem Rausch brachen sie einer nach dem anderen bei der Verfolgung zusammen. Schließlich konnte auch Alex nicht mehr und blieb keuchend unter einem Baum stehen. Schon dachte er, es sei ausgestanden, da knackte ringsum das Unterholz, und ehe er wieder losrennen konnte, stürzten sich die Frauen des Dorfes auf ihn. Sie lachten, als wäre das alles bloß ein schlechter Scherz, aber sosehr er auch um sich schlug und strampelte, sie ließen nicht locker und schleiften ihn gemeinsam zurück nach Tapirawa-teri, wo sie ihn an einen Baum fesselten. Einige der Mädchen kitzelten ihn, und manche steckten ihm Fruchtstückchen in den Mund, was zwar bestimmt nett gemeint war, aber nichts daran änderte, dass sie die Fesseln gut verknotet hatten. Langsam ließ die Wirkung des yopo nach, und erschöpft kehrten die Männer aus der Welt der Visionen in die Wirklichkeit zurück. Es sollte noch etliche Stunden dauern, bis sie wieder klar denken konnten und sich von den körperlichen Strapazen erholt hatten.
    Alex, dem nach der unsanften Gefangennahme alle Knochen wehtaten und der einen Kloß im Hals hatte, weil sich die Frauen so über ihn lustig machten, musste plötzlich an die haarsträubenden Berichte von Professor Ludovic Leblanc denken. Wenn der mit seiner Theorie Recht hatte, würden ihn die Indianer aufessen. Und was war mit Nadia? Er fühlte sich für sie verantwortlich. In Filmen und Büchern wäre jetzt der Augenblick gewesen, um sich von den Hubschraubern da rausholen zu lassen, aber Alex schaute ohne große Hoffnung in den Himmel, denn im richtigen Leben kommen die Hubschrauber ja doch nie rechtzeitig. Jetzt trat Nadia zu ihm, und keiner hinderte sie daran, wahrscheinlich weil sich die Krieger nicht vorstellen konnten, dass ein Mädchen den Mut haben würde, ihnen ihr Festessen zu entwenden. In der ersten Nacht hatten sich Alex und Nadia wegen der Kälte wieder angezogen,und die Nebelmenschen hatten sich schnell an diesen Anblick gewöhnt. Alex trug den Gürtel, an dem seine Flöte hing, sein Kompass und das Taschenmesser, nach dem Nadia jetzt griff. In Filmen genügt auch ein Schnitt, und die Fessel ist durch, aber sie säbelte und säbelte an diesen Lederriemen herum, während ihm vor Ungeduld der Schweiß aus allen Poren brach. Neugierig kamen die Kinder und einige Frauen des Stammes angelaufen und konnten es nicht fassen, dass Nadia sich so etwas traute, aber ungerührt hielt sie den Schaulustigen das Messer unter die Nase, und keiner schritt ein, bis sie Alex nach einer halben Ewigkeit endlich befreit hatte. Ganz langsam, um ja nicht die Aufmerksamkeit der Krieger auf sich zu ziehen, wichen die beiden zurück. Was hätten sie darum gegeben, die Kunst des Unsichtbarseins zu beherrschen!
    ~
    Die beiden kamen nicht weit, denn Walimai erschien im Dorf. Der alte Zauberer stand plötzlich da, mit der einen Hand auf seinen Stock mit der Sammlung von Beuteln gestützt, in der anderen die kurze Lanze und das Rohr, das sich anhörte wie eine Rassel. Es enthielt Steinchen von Orten, an denen der Blitz eingeschlagen hatte, war ein Zeichen der Heiler und Schamanen und symbolisierte die Macht des Vaters Sonne. Bei Walimai war eine junge Frau, deren schwarzes Haar sie wie eine Decke bis zur Hüfte hinab einhüllte, sie hatte gezupfte Augenbrauen, trug Ketten aus Glasperlen um den Hals, und in ihren Wangen und Nasenflügeln steckten geschliffene Holzstöckchen. Sie war sehr schön und wirkte heiter, lächelte vergnügt, sagte aber keinen Ton. Das ist seine Engel-Ehefrau, dachte Alex und freute sich darüber, dass er sie jetzt auch sehen konnte. Es war genau, wie Nadia gesagt hatte: Man musste »mit dem Herzen sehen«. Sie hatte ihm erzählt, dass Walimai, als er noch sehr jung war, das Mädchen mit einem vergifteten Messer hatte verletzen und töten müssen, um sie aus der Sklaverei zu befreien. Das war kein Verbrechen, sondern ein Gefallen, den er ihr tat, dennoch heftete sich ihre Seele an seine Brust. Walimai floh tief in den Urwald hinein und nahm den Geist der Frau mit sich an einen Ort, wo niemand sie je finden würde. Dort vollzog er dasvorgeschriebene Ritual der Reinigung, fastete und saß tagelang reglos da. Aber

Weitere Kostenlose Bücher