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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Götter möglichst wenig stören wollen, hatten sich ganz ruhig verhalten und von ihrer Gabe des Unsichtbarwerdens Gebrauch gemacht. Die Bestien hatten keine Ahnung davon, dass die Menschen Musik machen konnten, und auch niemals jemanden gesehen, der sich so federleicht, leidenschaftlich, schnell und anmutig bewegte wie Nadia. Tatsächlich hatten diese schwerfälligen Geschöpfe noch nie ein so schönes Geschenk bekommen. Ihre langsamen Gehirne nahmen jeden Ton und jede Bewegung in sich auf und bewahrten sie für kommende Jahrhunderte. Das Geschenk der beiden Fremden würde für immer Teil ihrer Geschichte sein.

FÜNFZEHNTES KAPITEL
Die Eier aus Kristall
    Für die Musik und den Tanz, die sie von Alex und Nadia erhalten hatten, gewährten die Bestien den beiden die Erfüllung ihrer Bitten. Zu Nadia sagten sie, sie müsse den Tepui bis hinauf zu seiner höchsten Felszinne erklimmen, wo sie das Nest mit den drei verzauberten Eiern finden würde. Alex dagegen sollte in die Tiefen der Erde hinabsteigen, denn dort entsprang das Wasser des Lebens.
    »Können wir zusammen gehen? Erst hoch zum Gipfel und dann hinunter in die Tiefe?«, fragte Alex, denn es war sicher einfacher, diese Aufgaben gemeinsam zu erfüllen.
    Die Urzeitfaultiere schüttelten bedächtig den Kopf, und Walimai erklärte, eine Reise ins Reich der Geister könne man nur allein antreten. Er sagte ihnen auch, sie müssten ihren Auftrag am folgenden Tag erfüllen und vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein, weil er mit den Göttern übereingekommen sei, den Berg dann zu verlassen. Sollten sie bis dahin nicht zurück sein, würden sie im heiligen Tepui eingeschlossen bleiben, da sie allein niemals den Ausgang durch das Labyrinth finden würden.
    Den Rest des Tages durchstreiften Nadia und Alex El Dorado und erzählten einander, was sich in ihrem Leben bisher ereignet hatte; beide wollten so viel wie möglich voneinander wissen, ehe sie Abschied nehmen mussten. Nadia konnte sich ihren Freund nur schwer in Kalifornien bei seiner Familie vorstellen; sie hatte noch nie einen Computer gesehen, war nie auf eine Schule gegangen und hatte auch noch keinen Winter erlebt. Dafür konnte sie frei und ungestört inmitten der Natur leben, und darum beneidete Alex sie ein bisschen. Sie hatte eine rasche Auffassungsgabe und verfügte über ein Wissen, das ihm sicher für immer verborgen bleiben würde.
    Nadia und Alex bestaunten zusammen die Stadt mit ihren bizarren Felsformationen aus Glimmer und anderen Mineralien, machten einander auf die wunderlichen Blumen aufmerksam,die hier überall wuchsen, und betrachteten die eigenartigen Tiere, die im Talkessel zu Hause waren. Manchmal flog so ein Drache vorbei wie der aus der Höhle, und mittlerweile hatten die beiden herausgefunden, dass die zahm waren wie dressierte Papageien. Einer ließ sich anlocken, landete anmutig vor ihren Füßen, und sie durften ihn sogar streicheln. Er fühlte sich glatt und kühl an wie ein Fisch; er hatte einen stechenden Raubvogelblick, und sein Atem roch ein bisschen wie das Veilchenparfüm von Oma Carla. Sie badeten in den warmen Seen und aßen so viele Früchte, bis sie nicht mehr konnten, aber nur von denen, die Walimai ihnen gezeigt hatte. Der Schamane hatte sie gewarnt, dass hier auch Früchte und Pilze wuchsen, die ein tödliches Gift enthielten, von anderen bekam man grauenhafte Visionen, sie raubten einem den Willen oder löschten für immer jede Erinnerung aus. Auf ihrem Streifzug trafen Nadia und Alex hin und wieder eine der Bestien, die offensichtlich die meiste Zeit einfach vertrödelten. Hatten sie erst einmal genügend Blätter und Früchte gefuttert, betrachteten sie sich nur noch die tropische Oase ringsum und den Wolkendeckel über dem Tepui. »Für sie ist der Himmel weiß und so groß wie dieser Kreis«, bemerkte Nadia, und Alex sagte, auch sie selbst hätten eine ziemlich eingeschränkte Vorstellung vom Himmel, die Astronauten jedenfalls hätten gesehen, dass er nicht blau sei, sondern unendlich tief und schwarz. Es war schon spät, und die beiden waren müde, als sie in ihre Schlafkammer zurückkehrten; sie schliefen Seite an Seite, berührten einander zwar nicht, denn es war so heiß, teilten aber denselben Traum, wie sie es durch Walimais magische Früchte gelernt hatten.
    Bei Tagesanbruch gab der alte Schamane Alex eine leere und Nadia eine mit Wasser gefüllte Kalebasse und einen Korb, den sie sich auf den Rücken band. Ob nun hinauf zum Gipfel oder hinab in die Tiefe,

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