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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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Bundesrepublik ausgeliefert. Nun setzte er sich nach Österreich ab, wo er mehrere Sprengstoffanschläge auf jüdische Geschäftshäuser verübte, unter anderem auch auf das des schon erwähnten Simon Wiesenthal. Als Folge von Hinweisen aus der rechten Szene selbst wurde er 1982 in Österreich festgenommen und 1983 in Wien zu fünf Jahren Haft verurteilt. Als er nach Verbüßung dieser Strafe nach Deutschland überstellt wurde, lagen hier schon wieder mehrere Haftbefehle gegen ihn vor. Er mußte bis 1989 sitzen. Auch mit Anschlägen auf jüdische Friedhöfe wurde er in Verbindung gebracht.
    Ein paar Tage nach Weils Ankunft in der Weitlingstraße rief mich Christian Worch aus Hamburg an. Er war entsetzt und riet mir dringend, Weil aus dem Haus zu entfernen: »Da, wo Weil sich aufhält, sind meist auch der Staatsschutz, und der jüdische Geheimdienst nicht weit.« Ich hatte mich aber mit Weil inzwischen angefreundet und konnte ihn deshalb auch nicht mehr aus dem Hause werfen.

Hausdurchsuchung
    Worch sollte jedoch recht behalten, denn unser Haus wurde jetzt tatsächlich vom Staatsschutz und auch vom Mossad, dem israelischen Geheimdienst, überwacht. Auch die Ostberliner Staatsanwaltschaft war zum Handeln aufgefordert worden. Das wußten wir. Am 27. April 1990 war es soweit: Gegen vierzehn Uhr stürmte eine Anti-Terror-Einheit unser Haus, Die Anweisung dazu war vom damaligen DDR-Innenminister Diestel persönlich gegeben worden. Die Einheit durchsuchte das ganze Haus, die Beamten fanden lediglich Propagandamaterial, davon aber jede Menge.
    Plötzlich glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Vor mir stand unser alter Bekannter: der Abschnittsbevollmächtigte aus meinem alten Wohngebiet. Ich sagte überrascht: »Na, Krause, was machst du denn hier! Da sind wir ja rechtzeitig mit dem Arsch an die Wand gekommen!«
    Seine Kollegen sahen ihn verwundert an, und er selbst schien einen Moment lang nicht zu wissen, wo er hinsehen sollte. Als Freddy ihn erkannte und sich aufzuregen begann, wurde es ihm noch peinlicher, Aber dann wurde ich abgeführt, und da grinste Krause schon wieder. Krause war wirklich der mieseste ABVer, den ich kannte. Einmal, als ich unter dem Paragraphen 48 stand und nach zehn Uhr abends nicht mehr auf die Straße durfte, war ich noch mit Göring unterwegs, als ich auf den hämisch grinsenden Krause traf. Siegessicher kam er auf mich zu: »Na, Herr Hasselbach, zeigen Sie mal Ihren Ausweis!«
    »Kannst du vergessen, Krause.« Ich grinste zurück.
    Als ich ihm den Rücken zudrehte, nutzte Krause die Gelegenheit und haute mir seinen Knüppel von hinten über den Schädel. Göring hatte einen Fotoapparat dabei und fotografierte die Szene, obwohl es bestimmt viel zu dunkel war. Göring flüchtete, und Krause rannte hinter ihm her. Mit einemmal waren Krauses Kollegen da, so, als ob sie hinter dem nächsten Haus gewartet hätten. Göring und ich wurden abgeführt, der Fotoapparat wurde beschlagnahmt.
    Der Erfolg der Durchsuchung unseres Hauses in der Weitlingstraße war für die Polizei relativ gering: Wir hatten von der Aktion vorher Wind bekommen und alle im Haus befindlichen Waffen ein paar Straßen weiter in einem PKW versteckt.
    Die Polizei nahm dennoch neunzehn Personen fest. Aber die meisten konnten noch am gleichen Tag wieder nach Hause gehen. Gegen Frank Lutz, zwei andere und mich wurden auf der Stelle Haftbefehle erlassen. Das beschlagnahmte Propagandamaterial reichte für diesen Haftbefehl aus, denn auf die Verbreitung von faschistischem Gedankengut standen in der DDR damals mindestens vier Jahre Haftstrafe.
    Doch die Polizisten schlugen uns einen Handel vor: Wir sollten sie über Strukturen in der rechten Szene aufklären, dann würde man uns bald wieder freilassen. Da wir alle zusammen keine Lust hatten, nochmals in den Knast zu gehen, machten wir, ohne irgend jemanden zu gefährden, unsere Aussagen. Die Polizei dürfte von uns vieren kaum mehr erfahren haben, als sie ohnehin schon wußte. Nach sechs Wochen waren wir alle wieder in Freiheit. Viel später hatte die Sache aber ein Nachspiel, auf das ich noch zurückkommen werde.
    Der Erstürmung unseres Hauses durch die Anti-Terror-Einheit folgte ein Presseansturm nie dagewesenen Ausmaßes. Der Kontostand der »Nationalen Alternative« war innerhalb mehrerer Wochen auf eine fünfstellige Zahl angewachsen, und von den eingehenden Pressegeldern konnten wir inzwischen auch unsere Anwälte bezahlen. Nun, wo die Medien im In-und Ausland so wirkungsvoll auf

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