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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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uns aufmerksam gemacht hatten, bekamen wir Spenden aus aller Welt. Ich organisierte täglich eine Pressekonferenz in unserem Haus, die immer gut besucht war. Die »Nationale Alternative« war mit einem Schlag bekannter geworden, als es die verschiedenen Parteien Michael Kühnens je gewesen sind.

Gegendemos
    In der Folge lenkten zahlreiche antifaschistische Gruppierungen ihre Aktivitäten gegen unser Haus. Immer häufiger wurden wir von Autonomen angegriffen, und die Gegend um die Weitlingstraße wurde für uns immer unsicherer. Mehrmals ließen die Autonomen alle unsere Autos in die Luft fliegen, und andauernd kam es vor unserem Haus zu regelrechten Straßenschlachten. An manchen Nachmittagen prügelten sich mehr als zweihundert Leute auf offener Straße. Die Polizei zog es noch immer vor, nicht einzugreifen, und manch ein Uniformierter freute sich geradezu darüber, daß wir uns gegenseitig die Schädel einschlugen.
    Im Juni demonstrierten über sechstausend Leute in der Weitlingstraße gegen unser Haus. Ein paar Tage vorher hatte ich mich mit ein paar Hooligans, Fans des Berliner Fußball-Clubs Dynamo, getroffen und sie gebeten, uns am 23. Juni bei der Abwehr dieser Demonstration zu unterstützen. Ich wollte auf alles vorbereitet sein, denn wir gingen davon aus, daß es zu schweren Ausschreitungen kommen würde. Vorher hatte ich es möglichst vermieden, Hooligans in unser Haus zu lassen, sie hätten unsere Ordnung mit Sicherheit sehr stark gestört. Am Tag der groß angekündigten Demonstration erschienen die Hooligans sehr zahlreich, es kamen ungefähr einhundertsechzig Mann. Wir postierten uns alle auf dem Dach unseres Hauses. Mit Steinen, Brettern aber auch mit anderen Waffen waren wir bestens ausgerüstet.
    Die Ostberliner Polizei verhinderte jedoch eine direkte Konfrontation zwischen rechten und linken Gruppen. Auf dem Dach unseres Hauses befanden sich mehr als dreihundert Leute, die nur darauf warteten, ungefähr vierhundert Liter Benzin aus Kanistern auf die Straße zu kippen. Wenn die Polizei nicht so energisch gegen die linken Demonstranten vorgegangen wäre, hätte es an diesem Tag ein großes Blutbad gegeben.
    Durch die Demonstration war das öffentliche Interesse an uns jedoch in einem Maße geweckt, daß die Wohnungsgesellschaft von allen Seiten Druck verspürte, uns die Verträge für das Haus zu kündigen. Das ging aber nicht so einfach, hatten wir doch erst Ende April einen völlig legalen Mietvertrag für das Haus unterschrieben. Inzwischen waren drei weitere, nebeneinanderliegende Häuser in der Weitlingstraße von Skinheads besetzt worden.
    Ekkehard Weil versuchte immer wieder, die Hausbewohner zu disziplinieren. Er war mit sich selbst sehr streng und forderte von allen anderen die gleiche Selbstdisziplin. Damit machte er sich bei den meisten Glatzen unbeliebt. Jeden Morgen pünktlich drei Viertel sieben stand er auf und begann damit, auch die anderen zu wecken. Eines Morgens wollte er einen der Hooligans zum Aufstehen bewegen: »Kamerad, Kamerad, alle arbeiten schon im Haus!« Der Hooligan in seinem Tran verstand gar nicht, was der schmächtige Weil von ihm wollte. Nach fünf Minuten kam der legendäre Terrorist wieder ins Zimmer, um ihn endgültig wachzurütteln. Der äußerst reizbare Jugendliche regte sich tierisch auf: »Sag mal, Alter, hast du ‘ne Macke?« Weil verstand ihn nicht: »Aber, Kamerad!« Da hatte der andere die Schnauze voll und haute Weil kräftig eine vor die Birne. Weil kam völlig sprachlos die Treppe herunter.
    Weils »Qualitäten« lagen auf anderem Gebiet. Einmal war er in der Nähe, als zweihundert Neonazis einen Überfall auf das »Tacheles« in der Oranienburger Straße durchführten. Während die Glatzen Molotowcocktails und Steine auf das autonome Kulturzentrum warfen, lief er, mit einem Fotoapparat am Hals als Tourist verkleidet, um das Haus herum und sparte nicht mit Ratschlägen. Als die Hooligans davon hörten, daß vor dem »Tacheles« etwas los sei, kamen über hundert von ihnen vom Stadion der Weltjugend her, um mitzumischen und uns zu unterstützen. Noch vor dem Eintreffen der Polizei entfernten wir uns wieder in Richtung Weitlingstraße, von wo aus wir ein paar Tage zuvor diesen Angriff geplant hatten. Später erfuhren wir durch die Zeitungen, daß bei diesem Überfall eine Frau aus dem »Tacheles« erblindet sei.

Auf dem Lichtenberger Bahnhof
    Michael Kühnen schrieb uns ein paar Tage später, daß er diese Aktion außerordentlich begrüße und daß

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