Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
fünfzigjährigen Mann brachte er eines Tages in Handschellen angeschleppt. Der hatte beim Kartenspiel seinen Mercedes verspielt. Stinki fesselte den vornehm Gekleideten an eine Campingliege in einem der leeren Zimmer und schloß die Tür hinter seinem Gefangenen ab. Am nächsten Tag gingen er und ein paar Skins zur nächsten Bank, wo der Mann ihn auszahlte.
Seit meinem Ausstieg habe ich Stinki nicht mehr gesehen. Ich hörte, auch er will die Szene verlassen.
Ein Amerikaner taucht auf
Ein paar Tage später wurden ich und der gesamte Vorstand der »Nationalen Alternative« zu einer Gesprächsrunde ins Deutsche Theater eingeladen. In der Veranstaltung sollte eine Antwort gefunden werden auf die Frage, wie man eine Eskalation von Gewalt verhindern kann. Autonome blockierten eine der Zufahrtsstraßen zum Theater in der Schumannstraße. Wir bogen in diese Straße ein und waren sofort auf allen Seiten von Linksradikalen umringt. Der Fahrer unseres Jeeps bekam Panik, gab Gas und fuhr ohne Rücksicht mitten in die Menschenmenge. Dabei stürzte einer der Autonomen, und unser Auto rollte ihm über die Beine. Nach diesem Vorfall gab es in Berlin keine Versuche mehr, Rechte und Linke an einen Tisch zu bringen.
Völlig überraschend erschien eines Tages zusammen mit Kühnen der Chef der NSDAP/AO Gary Rex (Gerhard) Lauck aus Lincoln in Nebraska (USA) an der Tür meiner Zweitwohnung in der Wotanstraße.
Diese Wohnung war nur für Besuche von Leuten aus dem engeren Führungskreis bestimmt. Ich wußte an dem Tag nicht, wer kommen würde.
Lauck ist Deutschamerikaner und in den Vereinigten Staaten aufgewachsen.
Lauck unterhält einen eigenen Verlag, über den er nationalsozialistisches Propagandamaterial in der ganzen Welt vertreibt. Kr ist auch der Herausgeber der Zeitschrift »Kampfruf«, die inzwischen bereits in sechs Sprachen erscheint.
Lauck steht ständig mit allen wichtigen Nazi-Führungskadern überall in Deutschland in Verbindung.
Ich hatte vor dem Besuch schon mit ihm telefoniert, um Aufkleber und anderes Propagandamaterial zu bestellen.
In Begleitung der zwei war ein Journalist. Kühnen stellte mir den bärtigen Typen vor und erklärte, daß dieser Journalist eine kleine Reportage über ihn machen würde. So etwas käme ihm gerade recht. Schließlich brauchten er und die »Bewegung« publicity. Ob dieser Journalist ihm gegenüber kritisch sei oder nicht, wäre nicht so wichtig. Entscheidend sei, bekannt zu werden, und gerade von dieser Reportage erhoffe er sich einen hohen propagandistischen Wert.
Kühnen behielt recht: Zwar waren wir im Führungsgremium alle der Meinung, daß der Journalist etwas übertrieben hatte, aber gerade deshalb wurde der Streifen in der gesamten rechten Szene als gelungener Propagandafilm gewertet. Nachdem man den Film gesehen hatte, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, wir seien extrem gefährlich und stünden kurz vor der Machtübernahme, was einigen von uns nicht gerade mißfiel. Es hatte bestimmt nicht in der Absicht des Journalisten gelegen, daß diese erste Reportage über Kühnen uns ganz besonders motivierte, aber es war so gewesen.
An jenem Abend waren die Dreharbeiten noch nicht abgeschlossen, und nachdem mir Kühnen mehrfach versichert hatte, der Journalist sei in Ordnung, ließ ich ihn und seine Mitarbeiter in der Wotanstraße filmen.
Parteitag in Cottbus
Noch am gleichen Abend fuhr ich mit Kühnen nach Cottbus zum ersten Parteitag der »Deutschen Alternative« auf dem Boden der DDR. Ich war Zweiter Vorsitzender der »Deutschen Alternative«, und als Versammlungsleiter sollte ich auch den Parteitag mit einer Rede vor ungefähr dreihundert Leuten eröffnen. Ich sagte dem Österreicher Küssel, der die Sache organisierte, daß ich darauf nicht vorbereitet sei und es besser fände, wenn ein anderer reden würde. Doch Küssel schüttelte den Kopf. Mir wurde ganz schlecht, jetzt vor allen sprechen zu müssen. Ich bekam Magenschmerzen und wurde kreidebleich im Gesicht. Ein paar Minuten vor Beginn der Veranstaltung kam Küssel zu mir und ermunterte mich: »Fang einfach an, der Rest kommt dann schon von ganz allein!«
Mir gingen gerade ein paar erste Gedanken durch den Kopf, wie ich beginnen wollte, da rief eine laute Stimme durch den Saal: »Der Versammlungsleiter soll sofort nach draußen kommen.«
Ich machte die Saaltür auf und stand plötzlich vor einer Gruppe vermummter Zivilisten, die Maschinenpistolen auf mich gerichtet hielten. Ich sah in ungefähr zwanzig
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