Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
widmet sich aber auch der Prävention. In Schulen, Jugendclubs und den Familien soll eine Sensibilisierung für die rechtsextreme Gefahr, ihre Erscheinungsformen und ihre Mobilisierungsmechanismen erwirkt werden. Dazu werden Netzwerke von betroffenen Eltern aufgebaut, Lehrer und Sozialpädagogen geschult und fortgebildet.
So sehr ich mich darüber gefreut habe, daß ich ein wesentlicher Bestandteil von »Exit« sein soll, setzte bei mir recht schnell auch eine Depression ein. Ich habe all die Jahre über immer wieder gesagt, daß es konkrete Hilfe für Aussteiger geben muß. Für mich persönlich kommt »Exit« zu spät. Ich habe heute nicht mehr die Kraft und den Enthusiasmus, mich dafür einzusetzen. Mein Leben geht in eine ganz andere Richtung, es hat nichts mehr mit Neonazismus zu tun. Ich wünsche den Machern von »Exit« alle Kraft und gutes Gelingen und vor allem, daß es ihnen gelingt, den braunen Rattenfängern das Handwerk zu legen.
Mehr Infos zu »Exit«: www.exit-deutschland.de , E-Mail: info @exit-deutschland.de, oder unter den folgenden Nummern: 0171/7136452, Mailbox: 0180/505 255 897 910, Fax: 089/244347789
Gerichtsverfahren
Im November 1997 war es soweit. Meine eigene Vergangenheit holte mich wieder ein. Nach fast fünfjähriger Ermittlungstätigkeit des Bundeskriminalamtes und der Berliner Staatsanwaltschaft sollte ich mich nun für meine begangenen Straftaten vor dem Landgericht Berlin verantworten. Der Weg bis zu diesem Tag erschien mir plötzlich unendlich lang. Auf der Fahrt zum Gericht rekapitulierte ich dann auch noch einmal die letzten fünf Jahre.
Ich hatte nach meinem Ausstieg einen festen Vorsatz: Ich werde nicht mit der Polizei kooperieren, keine »Kameraden« verraten und nichts gegen sie unternehmen, was ihnen schaden könnte. Diesem Vorsatz bin ich bis zum 10. November 1993 treu geblieben. An jenem trüben Novembertag erreichte meine Mutter eine Buchbombe. Sie war stark genug, um alle Personen, die sich während der Öffnung des Paketes im Raum befinden, zu töten, so die Analyse des Bundeskriminalamtes.
Ich kann mich heute nicht mehr daran erinnern, was ich dachte, als ich erfuhr, daß meine Mutter mit einer Bombe in ihrer Wohnung sitzt. Bis dahin hatte ich die Szene schlicht und ergreifend unterschätzt. Waren meine früheren Kameraden und Freunde tatsächlich in der Lage, meiner Mutter eine Bombe ins Haus zu schicken, nur um mich zu erwischen? Sie waren es, auch wenn das BKA und die Generalbundesanwaltschaft erst einmal »in alle Richtungen« ermittelte. Da war die Antifa genauso im Gespräch, wie einzelne Mitglieder meiner Familie, bis hin zu einer möglichen »Eigentat«, ausgeführt von Winfried Bonengel und meiner damaligen Freundin, um den Verkauf meines Buches zu steigern.
Bis zu diesem Tag dachte ich wirklich, das Leben könne endlich beginnen. Tatsache war, mein Leben, wie ich es bis dahin kannte, war definitiv vorbei. Nach diesem ernstgemeinten Mordversuch war ich nun in der, aus meiner damaligen Sicht, unglücklichen Situation, mit der Polizei kooperieren zu müssen. Ich dachte dann auch in bezug auf meine früheren Freunde, okay Jungs, wenn ihr Krieg wollt, könnt ihr ihn haben. Ich werde aussagen und niemanden mehr schonen. Ich wollte, daß man diese feigen Typen kriegt, daß man sie aus dem Verkehr zieht. Von diesem Zeitpunkt an, bis zirka Mitte 1995 habe ich umfangreich bei der Polizei ausgesagt. Ich habe Namen genannt, Personen und Gruppen charakterisiert, habe Straftaten aufgedeckt und das BKA über Zusammenhänge innerhalb der rechten Szene aufgeklärt. Dabei habe ich nicht nur andere, sondern auch mich aufs schwerste belastet.
Als Resultat wurde gegen mich und andere im April 1994 ein Ermittlungsverfahren wegen Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a eröffnet. Dieses Verfahren wurde 1995 wieder eingestellt. Übrig blieb ein Verfahren wegen eines Brandanschlages, sowie zwei Verfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Ich habe zu jener Zeit gedacht, daß meine Aussage und die daraus resultierende Anklage die letzte Konsequenz meines Ausstiegs ist. Das dies richtig war, denke ich auch heute noch. Alles andere wäre falsch gewesen, und ich bin froh, daß ich es so getan habe. Die Bedrohung, die ich durch die Bombe zu fühlen bekam, hielt lange Jahre an. Immer wieder tauchten verschiedene Flugblätter auf, die dazu aufriefen, mich aufzuspüren. Die Szene versuchte immer wieder, mich nicht in Vergessenheit geraten zu
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