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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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Papiere besorgt und ausgefüllt. Als ich in Arizona bei Freunden ankam, fand ich die Papiere bereits vor. Ich brauchte nur noch meinen Teil ausfüllen, mit dem Gefängniskaplan reden und die Papiere an Debra zurückschicken. Die Post in Arizona bis zum Gefängnis brauchte exakt zwei Tage, so lange dauerte es auch, bis die ersten Medien dahinter kamen.
    Eines schönen Morgens, ich war gerade dabei, das Haus zu verlassen, sah ich, wie ein großer Übertragungswagen des Fernsehens vor der Haustür hielt. Ich glaube, ich brauche hier nicht zu schildern, wie schnell diese Meldung Deutschland und die Titelseiten der großen Boulevardzeitungen erreichte. »ExNeonazi heiratet Todeskandidatin« oder »Kann seine Liebe sie vor dem Henker retten« und so weiter. In Arizona liefen die Talk-Radio-Shows nur noch zu diesem Thema. Fred Goldman, der Vater von Ron Goldman, der vermutlich von O. J. Simpson ermordet wurde, arbeitet in Arizona für die Staatsanwaltschaft im Opferprogramm. Er sagte: »Sehr gut, jetzt heiratet eine Kindermörderin einen Neonazi«. Ein Anrufer in dieser Sendung ging sogar soweit, daß er forderte, man solle gleich uns beide hinrichten lassen. Lange Rede, kurzer Sinn, der Heiratsantrag wurde von Debra zurückgezogen, weil sie diese Publicity nicht wollte. Ich kann gut nachvollziehen, daß viele in Deutschland dachten, das alles sei ein PR-Gag gewesen. Die Geschichte klingt ja auch zu gut, um wahr zu sein. Es war kein PR-Gag, ich hätte die Hochzeit durchgezogen, wenn nicht irgendein korrupter Beamter aus dem Department of Corrections den Medien einen Tip gegeben hätte und die Sache somit um die Welt ging. Inwieweit es ihr geholfen hätte, kann ich leider nicht beurteilen.
    Debra sitzt noch immer in der Todeszelle und wartet verzweifelt auf eine Neuaufnahme des Verfahrens. Wann das sein wird, weiß niemand, somit heißt es weiter warten, entweder auf den Tod, oder auf die Freiheit und die Rehabilitation.



Lost Sons
    Der schwedische Regisseur Fredrik von Krusenstjerna, hatte 1997 begonnen, eine Dokumentation über meinen Vater und mich zu machen. Ich habe Krusenstjerna zum erstenmal 1996 während meiner Buchtour in London getroffen. Anfragen zu Dokumentationen hatte ich in dieser Zeit jede Menge. Aber ich habe eigentlich immer dankend abgelehnt. Was mich gereizt hat, mit ihm diesen Film zu machen, ist heute schwer zu beantworten. Er hatte einige gute Ansatzpunkte, die Idee, meinen Vater in dem Film reden zu lassen, gefiel mir und letztlich auch seine Sicht als Ausländer auf die Dinge. Als wir anfingen zu drehen, bin ich immer davon ausgegangen, daß der Film in ein, vielleicht zwei Jahren fertig sein würde. Daß er erst jetzt erscheint, ist für mich nicht gerade einfach. Ich habe mich von der ganzen Thematik entfernt, stehe heute woanders und versuche, mir mein Leben unabhängig von diesem Thema aufzubauen. Wieder einmal holt mich meine Vergangenheit ein. Diesmal in Form eines Filmes.
    Als ich zur Premiere von »Lost Sons« aus Paris nach Berlin kam, klingelte kurz nach meiner Ankunft mein Handy. Eine tiefe Männerstimme erklärte mir: »Hier spricht das Kommando Horst Wessel, heute abend bist du dran.« Zur gleichen Zeit ging ein Anruf bei der Berliner Filmproduktion ein. Ich habe mich am nächsten Morgen wieder ins Flugzeug gesetzt und bin zurück nach Paris geflogen. Die Szene gibt niemanden frei, es gibt kein Vergessen, das ist die Message, die mir damit einmal mehr übermittelt wurde. Ich habe in den Jahren nach meinem Ausstieg versucht, etwas gegen diese Szene zu unternehmen, ich weiß, daß das richtig war und kann nur jedem, der in der Szene ist und zweifelt, ob es richtig oder falsch ist, was er macht, auffordern, sich beispielsweise an »Exit« zu wenden und der Szene den Rücken zu kehren, bevor es zu spät ist.
    »Die Abrechnung« ist als ein langer Brief an meinen Vater geschrieben. Die Gründe dafür sind ausreichend erklärt worden.
    Konsequent wäre es nun, das Buch mit einigen Worten an ihn zu schließen. Das mediale Interesse war zeitweise groß, dazu habe ich natürlich mit vielen Äußerungen und Handlungen beigetragen. Es ist nun ein Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich dazu nicht mehr äußern möchte. Ich will das jetzt beenden. Soviel sei verraten, ich habe wieder einen Vater; ich bin selbst gerade Vater geworden, und mein Kind hat einen Großvater…
    Diese Neuauflage der »Abrechnung« ist für mich ein Schlußpunkt. Ein Schlußpunkt unter dreizehn Jahre Leben mit Haß,

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