Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)
bescheidene, distanzierte Art einer Frau, die Übung darin hatte, Männer behutsam abblitzen zu lassen, und ließ mich wieder los.
Sie hatte einen griechischen Wein mitgebracht, den sie öffnete und auf die auf dem Rasen ausgebreitete, karierte Decke stellte. Dann streckte sie sich aus, schob die Brille in ihr Haar, ließ die Sonne an ihre Augen. Ihre Bluse rutschte hoch, enthüllte ihre Taille und den Bund des aus der Jeans ragenden Slips. Ich kannte ihren Körper kaum, begehrte ihn aber ganz und gar, verzehrte mich vor allem nach dem Duft ihrer Haut, dieser Mischung aus Schweiß und Chanel; ihre Haut war so weich und so zart, dass sie vor meinen Augen braun zu werden schien.
Man hatte kürzlich beregnet, und unter den achteckigen Kuppeln der Gewächshäuser war nur das leise Sauggeräusch des feucht werdenden Bodens zu hören. Die Pflanzen im tropisch heißen Palmenhaus wirkten fahl, ihre Blätter wie Hände, die sich flehentlich nach etwas jenseits des Glases reckten. Viele Blätter welkten an den Rändern, möglicherweise aufgrund plötzlicher Temperaturschwankungen, zu intensiver oder zu geringer Bewässerung. Sie siechten langsam von außen nach innen dahin. Dies war kein Gewächshaus mehr, sondern ein Sanatorium voller geplagter, um Atem ringender Patienten. Die Kohlefeuer waren erkaltet, in den Ecken standen nutzlose Heizgeräte. Inmitten der exotischen Flora spross gewaltiger Löwenzahn; Ampfer hatte sich eingeschlichen, überwucherte die Humusberge mit seinen fetten Blättern; Ackerwinde wand sich um jeden Stengel und Stamm.
»Was hat dich nach Rumänien verschlagen?« Cilea zerrieb ein Blatt zwischen den Fingern, inhalierte den exotischen Mentholduft. Das klang nach einer Fangfrage, aber heikel war nur die Antwort: Wie hätte ich ahnen können, dass ich in die Machenschaften Leos, Ionescus sowie diverser anderer Leute verstrickt werden würde, denen ich nie zuvor begegnet war? Ich habe, antwortete ich stattdessen, ein Land bereisen wollen, um eine neue Sprache zu erlernen, und sympathisiere mit den kommunistischen Idealen, wenn auch nicht – jedenfalls nicht mehr – mit der Art ihrer Umsetzung.
»Ich glaube, du hattest überhaupt keine Ahnung«, erwiderte sie sachlich.
»Stimmt, denn sonst wäre ich nicht gekommen. Aber ich bin trotz allem froh, hier zu sein.« Letzteres stimmte damals nicht ganz. Aber es klang plausibel. Und am Ende, das in gar nicht so weiter Ferne lag, traf es auch zu.
»Niemand weiß etwas über Rumänien, über uns, unsere Kultur, unsere Probleme. Wir sind das vergessene Land. Wir sind nicht sexy wie die Tschechen oder mutig wie die Polen. Wir haben keinen Havel oder Wałęsa …«
»Du siehst nicht aus, als hättest du viele Probleme.« Ich betrachtete Cilea und dachte dann an die im Krankenhaus liegende Rodica: »Du trinkst griechischen Wein, trägst eine italienische Sonnenbrille, kleidest dich wie im Westen – sogar besser als die meisten Leute im Westen. Du fährst ein eigenes Auto … Verzeihung, nein, du wirst in deinem Auto gefahren . Du – und ich meine dich ganz persönlich – siehst nicht aus, als bräuchtest du einen Havel oder Wałęsa. Ich weiß jedoch nicht, ob das auch auf deine Landsleute zutrifft …«
»Ich bin ein Teil des Ganzen«, sagte sie und wies auf alles, was sich in unmittelbarer Nähe, draußen und im weiteren Umkreis befand. »Falls es das ist, was du meinst.«
» Teil des Ganzen ? Was genau verstehst du darunter? Dass du dafür nicht verantwortlich bist? Oder dass du nicht erdulden musst, was die übrige Bevölkerung erduldet?«
Ich glaubte schon, unsere Freundschaft beendet zu haben, bevor sie richtig begonnen hatte.
»Du hast ja keinen Schimmer – du hast nicht die Spur einer Ahnung, und ich werde es dir bestimmt nicht erklären. Du bist nur ein Armutstourist im Sabbatjahr.«
Eine nette Formulierung, die allerdings wie aus dem Stegreif klang. Cilea errötete. Wenn sie zornig war, war ihr Duft noch eindringlicher – der kompakte, würzige Hauch ihres Parfüms und ihrer Körperwärme.
»Und du bist ganz sicher, dass du nicht gekommen bist, um etwas zu erleben, das du sonst nie hättest erleben müssen?«, fragte sie, als würde ich ihr leidtun oder mir meines eigenen Antriebs nicht bewusst sein. Ich schwieg. Die Sonne verschwand kurz hinter Wolken, und es wurde kühler.
»Komm mit. Ich möchte dir etwas zeigen.« Cilea zog mich auf die Beine und führte mich zu einer kleinen, tadellosen Glaskuppel, die am Rand des Gartens stand und
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