Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)
Fieberthermometer und einem Infusionsbeutel mit Kochsalzlösung, die im Licht der untergehenden Sonne milchig glänzte, über mich. Als ich an meinen Kopf fassen wollte, spürte ich ein Ziehen. Ich hing an mehreren Schläuchen, und mein Schlafzimmer sah aus wie ein Feldlazarett.
»Gut, dass du wach bist. Leo!«, rief sie. Leo schlenderte zur Tür herein, mit einem Stapel Sonntagsbeilagen unter dem Arm.
»Keine Sorge – die brave Ärztin hat sich umgedreht, während dein alter Kumpel Leo dir die Hose ausgezogen und sie dann ausgewrungen hat. Das ist nichts für eine Dame.« Er zwinkerte Ottilia zu. Sie lächelte und ließ uns dann allein.
»Was ist los mit mir?« Meine Stimme klang heiser, und nach dem vielen Würgen war meine Kehle rauh. Auf dem Fußboden neben dem Bett stand eine Schüssel mit brackwasserartigem Stuhl, bedeckt von grauem Schaum.
»Bereit für die gute Neuigkeit?«
Leo beugte sich über mich, die Brille auf der Nasenspitze, und tat so, als würde er das Klemmbrett mit der Fieberkurve studieren wie der fette Arzt in Doctor in the House . Sein Atem verriet mir, dass er an diesem späten Nachmittag schon ein oder zwei Drinks zu sich genommen hatte. »Du liegst seit zwei Tagen flach. Leichte Amöbenruhr. Bekommt hier jeder mal. Zum Glück habe ich dich entdeckt. Die wunderbare Ottilia hat alle Medikamente, die du brauchst, hierher gebracht, um dir das Krankenhaus zu ersparen. Du weißt ja, was man hier, im sozialistischen Paradies, über die Krankenhäuser sagt: ›Ein Bett gibt es immer; das Problem ist nur, dass man nie wieder rauskommt.‹ Du bist über den Berg. Das ist die gute Neuigkeit.« Ich richtete mich auf. Leo fuhr fort: »Die nicht ganz so gute lautet, dass du noch eine Woche ruhig liegen musst – Anweisung der Ärztin.«
»War Cilea hier?«
»Ja, sie hat gestern reingeschaut, aber du hattest gerade das Thermometer im Hintern und hast wegen Wintersmith getobt. Sie hat gute Wünsche ausgerichtet und einen Blumenstrauß hiergelassen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Krankenbesuche ihr Ding sind. Außerdem ist sie gerade erst aus Belgrad zurückgekehrt.« Seine Miene verdüsterte sich, als wäre ihm etwas eingefallen. Ich zeigte auf das Telefon, aber Leo schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt. Warte noch ein bisschen. Komm erst einmal wieder zu dir.«
Ottilia erzählte mir, dass sie dank Leos Beziehungen alles habe, was sie für meine Behandlung brauche. Sie wollte nicht wissen, woher die Sachen kamen. Die Infusionsbeutel hatten eine griechische Aufschrift, meine Plastikwindel stammte aus einem Karton des Roten Halbmondes mit arabischer und türkischer Beschriftung. Medikamentenschachteln und Pillendosen waren so vielsprachig, dass es für eine UNO-Vollversammlung gereicht hätte. Ich fügte mich in mein Schicksal, fühlte mich hilflos, aber bequem gebettet. Meine Wahrnehmung war merkwürdig verzerrt: Das Licht glitzerte, Türen und Fenster verschwammen an den Rändern, und die Schale mit seltenen, hierzulande exotischen Früchten – Apfelsinen, Äpfel, Aprikosen – neben meinem Tisch glich einem Stillleben in grellen Farben.
Das rote Licht des Anrufbeantworters blinkte. Ich hörte mir die Nachricht an: Bei Trofims fauchender Stimme zuckte ich zurück. Ich schloss die Augen, glitt in den Schlaf. Später nahm ich dumpf die Stimme Leos wahr, der hereinkam, als ich mich schwach im heißen Bettzeug wälzte, getrennt von allen Schläuchen. Mitten in der Nacht vernahm ich den BBC World Service; später weckte mich ein schrecklicher Lärm wie das Schaben eines Ruderblatts auf steinigem Grund. Ich tastete nach den Nachttischlampe, knipste sie an und erblickte Leo, der angezogen im Lehnstuhl schnarchte. Ich rief und brüllte, warf ihm einen Kugelschreiber gegen den Kopf, konnte ihn aber nicht wecken.
Am vierten Tag wurde ich den Tropf endlich los und konnte ohne Hilfe in das Badezimmer gehen. Ich hatte über drei Kilo verloren. Meine Wangen waren eingefallen, unter den Augen hatte ich dunkle Ringe. Meine Haut war gelb, die Arme waren von Einstichen übersät. Ich ging zum Wohnzimmer, wo Leo sein Lager aufgeschlagen hatte. Dort saß er, las in Luceafarul und hörte dabei eine englischsprachige Sendung auf Radio Moskau. Der Anrufbeantworter blinkte immer noch. Ich hörte mir die Nachricht noch einmal an:
Mein Freund, ich hoffe, es geht Ihnen gut. Am Sonntag sind Sie nicht gekommen. Auch nicht am Montag. Ich mache mir Sorgen um Sie und unsere gemeinsame Arbeit. Lassen Sie von sich hören. Ich
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