Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
Rasenfl?chen hinunter zu einem See. Dichte, gr?ne B?sche befanden sich in den unteren Bereichen, und dahinter, wie W?chter, die die Klosteranlage umringten, lagen die wilden Moors. Es war ein beeindruckender Anblick, aber was mir den Atem raubte, war noch etwas anderes.
Neben dem See erhoben sich die Gemäuer der alten Klosterkapelle. Dünne, halb verfallene Bögen zeichneten sich wie eine versteinerte Spitzenborte vor dem grauen Himmel ab. Steine häuften sich am Fuße der mittelalterlichen Ruine, und dort, wo einmal der Altar gestanden hatte, befand sich jetzt ein sanfter grüner Hügel. All das spiegelte sich in dem See, so dass es aussah, als würde unter der spiegelglatten Oberfläche eine Kathedrale träumen.
»Fantastisch, was?«, fragte Sarah.
»Es ist … unbeschreiblich.« Ein seltsamer Schauder überlief mich. »Aber es wirkt alles irgendwie traurig.«
»Dann weißt du das mit Laura, ja?«
»Celeste hat es mir gesagt.« Ich wusste nicht, wieso, aber mein Herz begann wild zu pochen.
»Man hat Laura in diesem See gefunden. Sie ist ertrunken. «
Genau wie meine Mutter. Mir wurde schwindelig, und ich schwankte leicht.
»Hey, alles in Ordnung, Evie? Ich möchte nicht, dass du noch einmal ohnmächtig wirst.« Sie stützte mich und zog mich zu einem Sitzplatz, von dem aus man auf den See blicken konnte.
»Tut mir leid. Es ist nichts. Sprechen wir von etwas anderem. Erzähl mir von dieser Lady Agnes.«
»Ihre Geschichte ist auch nicht sehr fröhlich«, erwiderte Sarah zögernd. »Es hat wohl irgendeinen Unfall gegeben, und sie ist jung gestorben. Ich habe mal irgendwo was darüber gelesen. Agnes’ Tod war der Grund, weshalb dieses Gebäude in eine Schule verwandelt worden ist. Ihre Eltern haben alles dicht gemacht und sind ins Ausland gegangen. «
»Und wieso?«
»Vermutlich konnten sie es nicht ertragen, noch irgendetwas zu sehen, das sie an ihre Tochter erinnerte. Nach ihrem Tod gab es niemanden mehr, der oder die hätte Wyldcliffe erben können. Eine ganze Zeitlang stand das Gebäude leer, bis dann diese Schule eingerichtet worden ist. Unter den Leuten hier in der Umgebung gehen alle möglichen Geschichten um, denen zufolge es verflucht wäre. Kann man sich leicht vorstellen, schätze ich. Ein großes, leeres Haus mit der Ruine einer Kapelle – man braucht nicht viel Fantasie, um sich daraus was zusammenzubrauen, oder?«
»Vermutlich nicht«, erwiderte ich und starrte zu der Ruine hinunter. Sarahs Geschichte erklärte, warum der Taxifahrer sich am Abend vorher, als ich angekommen war, so eigenartig verhalten hatte. Der verfluchte Ort. Ich konnte es ihm im Grunde nicht verübeln. Immerhin machte ich ja selbst die Erfahrung, dass meine Fantasie in Wyldcliffe außer Kontrolle geriet. Als ich auf den Steinhaufen blickte, fiel es mir nicht schwer zu verstehen, wieso die Leute Geschichten über diesen Ort erfanden. Er war tatsächlich verwunschen – geprägt von der Erinnerung an die vielen Menschenleben, die er gesehen hatte. Und während jedes einzelnen Dramas hatten die immergleichen dunklen Hügel hinunter auf diesen Platz geblickt, hatte der immergleiche schneidende Wind das Gras zum Singen gebracht ?
»Gefällt es dir hier?«, fragte ich.
Sarah brach in schallendes Gelächter aus. »Wie kann man einen Ort mögen, an dem sich fast nur hochnäsige Snobs wie Celeste rumtreiben? Ich bin mir nicht sicher, wie lange diese Schule mit ihren alten Traditionen noch existieren wird, um ehrlich zu sein. Die Welt hat sich verändert, abgesehen von Wyldcliffe.«
»Warum schicken die Leute ihre Kinder dann immer noch hierher?«
»Wyldcliffe bereitet junge Frauen darauf vor, einen Platz in der Gesellschaft einzunehmen«, erklärte Sarah, als hätte sie es auswendig gelernt. »Es geht nicht nur darum, dass sie in der Schule erfolgreich sind. Ich gehöre zur vierten Generation meiner Familie, die hierherkommt.«
»Aber wolltest du wirklich hierherkommen?«
»Ich glaube schon. Der Ort hier ist wirklich etwas Besonderes — weißt du, das Gemäuer und die Moors und das alte Haus … Ich vermute, dass ich Wyldcliffe gleichzeitig liebe und ablehne. Aber was ist mit dir? Gefällt es dir hier?«
»Hmmm. Ich bin mir nicht sicher.«
»Und warum bist du dann hergekommen, Evie?«
»Meine Mutter ist tot, und Dad ist in der Armee. Er ist im Augenblick im Ausland stationiert«, sagte ich und versuchte, nüchtern zu klingen und meine Gefühle
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