Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
Lady Agnes,
17. September 1882
Ich weiß nicht, was ich von dieser neuen Leidenschaft halten soll, die einen düsteren Bann über meinen liebsten, einzigen Freund geworfen zu haben scheint. Ich weiß nur, dass ich beunruhigt bin, sogar Angst um ihn habe. Irgendwie fühle ich mich nicht mehr so geschützt.
Gestern hat S. mir eine ganze Reihe Geschenke von seiner Reise vorbeigebracht. Der Doktor hatte ihm zwar richtige Bettruhe verordnet, aber er behauptet, er hätte keine Minute mehr liegen bleiben können, weshalb er die Hall verlassen hat, ohne es jemandem mitzuteilen. Zu Fuß! Aber nun, er war schon immer ein wenig dickköpfig, wenn er sich erst etwas in den Kopf gesetzt hatte, und er war so erpicht darauf, mir seine Geschenke zu zeigen. Es waren Halstücher und Schals, Schnitzereien und billige Schmuckstücke, und ich habe ihm Vorwürfe gemacht, dass er so verschwenderisch gewesen war, aber er lachte nur und sagte, dass diese Sachen auf den Basaren nur ein paar Pennies gekostet hätten. Dann reichte er mir ein Päckchen, das in silbernes Seidenpapier eingeschlagen war.
»Das ist das beste Geschenk überhaupt«, flüsterte er. »Das Geschenk des Wissens.«
Es war ein Buch, das in dunkelgrünes Leder gebunden war und alt wirkte. Die Buchstaben hatten sich im Laufe der Zeit abgenutzt und waren nur noch schwach zu sehen, aber ich erkannte die Worte Der Mystische Weg . Ich öffnete die Silberschnalle und schlug das Buch auf. Ein trockener, abgestandener Geruch stieg von den Seiten auf. Das Schriftbild war fett und schwarz und eng. Ein Teil war in Latein geschrieben, der Rest in altem Englisch. Ich las laut:
»Leser, bist du nicht rein,
So nimm deine Hand zurück und halte ein.
Die hier offenbarten uralten Mysterien
Dürfen nicht durch das Böse befleckt werden.«
Ich sah zu ihm hoch und lachte. »Was für ein Märchen hast du mir da gekauft? Findest du nicht, dass ich ein bisschen zu alt für solchen Unsinn bin?«
»Das ist kein Unsinn, Agnes; es ist das Allerwichtigste, das ich auf meiner Reise gefunden habe! Du musst es lesen!«
Er wirkte angespannt und erhitzt, und ich fragte mich, ob er immer noch Fieber hatte. Eilig nahm er mir das Buch ab und begann zu lesen:
»Die Philosophen erklären uns, dass die Vier Ewigen Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde der Stoff des Lebens sind. Und das größte von ihnen ist Feuer, ein Abkömmling der Heiligen Flamme der Schöpfung. Ihr sollet aber auch wissen, dass diese Elemente den Schl?ssel zu unseren Mysterien bilden. Es ist ein schwerer Irrtum zu glauben, dass solche Elemente nichts weiter w?ren als physikalische Materie oder k?rperliche Substanz. Der Gro?e Sch?pfer erschuf keinen K?rper, der nicht seine Essenz oder seinen Geist beinhalten w?rde. Denn was ist ein K?rper ohne Geist? Er ist nichts, denn der K?rper verkommt und verwest; doch der Geist lebt f?r immer. Daher stimmt es auch, dass alle physikalische Materie einen unsichtbaren Geist in sich tr?gt. Und so enthalten Luft, Erde, Wasser und Feuer ihren eigenen Geist, in dem sich ihre gro?e Macht verbirgt.?
Er sah mich mit glänzenden Augen an. »Hast du das gehört, Agnes? Große Macht. Suchen danach nicht alle auf der Welt?
»Das weiß ich nicht«, sagte ich vorsichtig. »Was steht sonst noch in diesem Buch?«
»Wir mit unserer menschlichen Natur bestehen aus diesen vier Elementen – die Erde ist unser Fleisch, die Luft unser Atem, das Wasser unser Blut, das Feuer unsere Leidenschaften und Begierden. Daher liegt es nahe, dass wir auf feinstoffliche Weise mit den ewigen Geistern der Elemente verbunden sind. Und darin besteht unsere große Absicht, die wie folgt lautet: Personen, die sich wahrhaftig und rechtschaffen dem Studium des Mystischen Weges widmen, können lernen, die Macht der Elemente zu beschwören …«
S. starrte mich wieder an, und jetzt funkelten seine Augen wie blaues Feuer. »Was wäre, wenn wir lernen würden, diese Macht zu beschwören, Agnes? Stell dir nur vor, was wir dann alles tun könnten.«
»Ich denke, ›vorstellen‹ ist genau das richtige Wort«, erwiderte ich. »Das hier ist eine Geschichte, mehr nicht. Sie ist nicht wirklicher als die Geschichten in Tausendundeine Nacht, die wir als Kinder zusammen gelesen haben. «
»Nein, du irrst dich. Ich habe diese Seiten durchgeblättert, und was ich gelesen habe, hat mich ziemlich erstaunt. Es gibt Rituale und Lehren, wie man die heiligen Mysterien entschlüsselt –
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