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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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wäre ich unsterblich. Aber in diesem dunklen Schlafsaal stieg die absolute Gewissheit meines eigenen Todes in mir auf und machte mir Angst. Eines Tages würde es wirklich geschehen, und dann gab es keine Möglichkeit mehr für mich, noch irgendwelche Haken zu schlagen. In einer blitzartigen Erinnerung sah ich die Inschrift vor mir, die an der Hafenmauer meines Heimatortes angebracht worden war, um die Seeleute zu ehren, die dort im Laufe vieler Jahrhunderte ihr Leben gelassen hatten: Denn wir alle m?ssen sterben und sind wie das Wasser, das man auf die Erde sch?ttet ?
      Wir alle müssen sterben. Ich blinzelte aus dem Fenster und betrachtete die im Mondlicht liegende Ruine und den angrenzenden stillen See. Wie war es möglich, dass Laura an einem derart friedlich wirkenden Ort etwas zugestoßen war?
      »Wir alle müssen sterben«, murmelte ich leise in mich hinein. Dann war es, als könnte ich von irgendwo in meinen Erinnerungen Frankies warme, tröstende Stimme hören, während sie in der kleinen Kirche zu Hause laut sprach: Wir alle müssen sterben … und doch nimmt Gott kein Leben …. Wer immer an ihn glaubt, wird ewiges Leben erfahren.
      Ich ging ins Bett zurück und schlief wieder ein.
       
 
      Es kam mir vor, als wäre nur eine einzige Minute vergangen, als die Morgenglocke uns aus den Betten zerrte – der Beginn eines weiteren unbarmherzigen Tages.
      Ich zog mich rasch an und ging die Marmortreppe hinunter, noch bevor Helen aus dem Badezimmer zurückgekehrt war. Ich wollte nicht undankbar erscheinen, aber ich hatte wirklich keine Lust darauf, noch einmal gemeinsam mit ihr in der Dunkelheit herumzuirren und es mit den Geistern lang verstorbener Küchenhilfen aufzunehmen. Abgesehen davon wollte ich auch nicht schon wieder zu spät beim Frühstück auftauchen. Ich beschloss, diesen Tag als meinen ersten richtigen Tag in Wyldcliffe zu nehmen. Ich würde mich nicht verspäten, ich würde nicht in Schwierigkeiten geraten, und ich würde auch ganz sicher nicht das Bewusstsein verlieren.
      So einfach war das.
      Die Mädchen kamen in kleinen Grüppchen die Treppe herunter; ihre Röcke, Blusen und Haare waren für den neuen Tag hübsch und sauber und ordentlich hergerichtet.
      »Hallo«, sagte ich freundlich, aber man ignorierte mich einfach. Völliges Schweigen herrschte. Es war, als würde ich nicht existieren.
      »Auf der Treppe wird nicht gesprochen«, sagte jemand leise hinter mir. Ich drehte mich um und war erleichtert, Sarahs freundliches Gesicht zu sehen. Sie legte einen Finger auf die Lippen. Jetzt verstand ich – noch eine Regel. Ich lächelte erleichtert zurück und klapperte weiter die kalten weißen Stufen nach unten.
      Als wir am Fuß der Treppe angekommen waren, fand ich die Oberste Mistress dort stehen, elegant und unnahbar. Ihre Augen waren ausdruckslos, als sie mich musterte.
      »Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass das Tragen von Schmuck an dieser Schule nicht gestattet ist.«
      Das hatte ich ganz vergessen, und die schweren Kettenglieder von Frankies Halskette blitzten oben aus meiner Bluse heraus.
      »Das … es tut mir leid … ich hatte es vergessen …«
      »Sei dir bitte bewusst, dass eine Schülerin behalten muss, was ich ihr gesagt habe. Das erwarte ich.«
      »Ich nehme sie sofort ab.« Ich raste die Treppe wieder hoch, ehe sie noch mehr sagen konnte. Da war etwas an ihr, das mir eine Gänsehaut verursachte – diese unergründlichen, schwarzen Augen, die überaus kontrollierte Weise, in der sie sprach … und dann das Aufglimmen von Wut, die dicht unter der Oberfläche schwelte.
      »Pass auf, du Dummkopf!«
      Celeste starrte mich finster an, als ich oben auf der Treppe fast gegen sie geprallt wäre.
      »Oh … ja, tut mir leid«, keuchte ich und flitzte an ihr vorbei. Ich hatte nicht vor, ihr — oder Mrs. Hartle – die Befriedigung zu gönnen, mich schon wieder zu spät zum Frühstück kommen zu sehen. Ich raste also ins Schlafzimmer, öffnete noch im Laufen den Verschluss der Kette und zog die Schublade neben meinem Bett auf, kaum dass ich dort angekommen war.
      Und hielt inne. Etwas in mir ließ mich auf seltsame Weise zögern und wehrte sich dagegen, die Kette einfach in die Schublade fallen zu lassen. Woher wusste ich, dass sie dort sicher war? Celeste hatte wahrscheinlich keinerlei Hemmungen, meine Sachen zu durchstöbern und in Unordnung zu bringen, und ich fand die Vorstellung unerträglich, dass sie die Kette berührte. Sie war zu

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