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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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unwissend, lediglich ein Mädchen. Einen flüchtigen Augenblick lang war ich versucht, diese neue Macht für mich zu behalten.
      Aber ich konnte es nicht. »Lasst zu, dass es geschieht«, flüsterte ich. »Lasst es so sein, wie er es sich ersehnt …«
      Ein beängstigendes Rumpeln erfasste jetzt die Höhle, wie bei einem Erdbeben, und ich dachte schon, die Mauern würden auf uns einstürzen. Dunkle Rauchschwaden, in denen Zungen aus grünem Feuer knisterten, stiegen von seinen F??en auf und wanden sich um seinen K?rper, bis er ganz in Dunkelheit geh?llt war. Ich streckte die Hand nach ihm aus, wurde aber auf den Steinboden zur?ckgeschleudert. Silbernes Licht explodierte in meinem Geist. Dann glitt eine lange Reihe von Frauengesichtern vor meinen Augen vorbei, die alle seinen Namen riefen, kreischend und schnatternd und weinend, bis als Letztes dieses M?dchen auftauchte, deren Gesicht mich in meinen Tr?umen heimzusuchen begonnen hatte. Sie wirkte richtig traurig. Ein m?chtiges Donnern ert?nte, und ich schloss erschrocken die Augen und hielt mir die Ohren zu.
      Später – ich weiß nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war – öffnete ich die Augen wieder und sah S. über mir stehen. Er beugte sich zu mir herunter und half mir auf die Beine. Dort, wo unser Kreis gewesen war, hatte sich jetzt ein tiefer Riss gebildet.
      »Es ist geschehen«, sagte er einfach nur. »Ich bin wiedergeboren. «
      Und so ist er also zufrieden gestellt, und ich muss es auch sein. Letztlich ist es das, was ich mir gewünscht habe. Aber ich kann nicht verhindern, dass ich mich immer und immer wieder frage, ob ich mich richtig entschieden habe.
      Dieser Gedanke verfolgt mich jetzt schon seit Tagen, wie der Schrei der Möwen am Meer.
     

 Zwölf
 
 
      
      I ch sehnte mich entsetzlich nach dem Meer. Es tat richtig weh, wie ein roher, körperlicher Schmerz in meiner Brust. Mir ging nicht aus dem Kopf, was der Arzt über das Schwimmen gesagt hatte. Mein Körper sehnte sich nach dem prickelnd kalten Wasser und den großen, auf und ab wogenden Wellen. Allmählich bekam ich das Gefühl, als würde etwas in mir zusammenbrechen, wenn ich nicht bald zum Schwimmen käme.
      »Evie Johnson, arbeitest du gerade, oder träumst du vor dich hin?«, fragte Miss Scratton.
      Die Worte auf der Seite, die ich gerade bearbeiten sollte, tanzten vor meinen Augen, als wären sie in einer fremden Sprache geschrieben. Ich hatte das Gefühl, als würde noch ein weiteres kleines Stück von mir sterben. Und dann plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte.
      Ich würde im See schwimmen. Das ist es , dachte ich. Ich schleiche mich in der Nacht raus, und niemand wird irgendwas davon mitkriegen. Dann hörte das aufgeregte Flattern in meinem Bauch abrupt auf.
      Laura.
      Was war mit den Alpträumen, in denen sie aufgetaucht war – würden sie nicht noch hundertmal schlimmer werden, wenn ich tatsächlich in dem gleichen See schwamm, in dem sie ertrunken war? Mein Herz sank wieder einen ganzen Stock tiefer. Es war unm?glich, eine dumme, kranke Idee. Vergiss es .
      Ich versuchte es. Wirklich. Aber eines Nachts konnte ich nicht schlafen. Celeste hatte einen ziemlichen Aufstand veranstaltet, dass ihr kalt wäre, und die Heizung so weit aufgedreht, bis man in dem Raum vor Hitze fast umkam. Ich war müde, aber ich fand keine Ruhe, sondern lag stundenlang wach, während die anderen schliefen. Ich fühlte mich angespannt und erhitzt und bekam nur schlecht Luft. Schließlich schlug ich die Decken zurück und stand auf, um das Fenster zu öffnen, aber es war verriegelt. Ich konnte den See blass und silbern im Mondlicht liegen sehen. Er wirkte richtig kühl und rein und einladend.
      Ich konnte nicht widerstehen. Ich musste Luft auf meiner Haut spüren, nach draußen gehen; ich musste beim See sein. Natürlich hatte ich nicht vor zu schwimmen, aber allein schon ihn zu sehen, die kühle nächtliche Brise zu fühlen, die über das Wasser strich …
      Wusste ich – oder ahnte ich –, was geschehen würde, wenn ich in dieser Nacht dorthin ging? Und wäre ich dennoch gegangen, auch wenn ich es gewusst hätte? Ich weiß nur, dass ich mir einredete, es wäre völlig vernünftig, was ich da vorhatte, während ich mich aus dem Schlafsaal schlich.
      Ich beschloss, die alte Bedienstetentreppe zu benutzen, die Helen mir gezeigt hatte. Das verringerte die Gefahr, gesehen zu werden. Ich schob den Samtvorhang beiseite, zog die Riegel zurück und öffnete die Tür.

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