Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
Vom Netzwerk:
schrecklichen Nöten, mit denen einige der armen Unglücklichen in London und Manchester und anderen sogenannten ›Großstädten‹ zu tun haben. Ich bin entschlossen, all das, was wir herausfinden, zur Linderung der Leiden einzusetzen, und ich habe bereits einen kleinen Anfang gemacht.
      In der Ecke des Gemüsegartens steht ein Birnbaum, der von Mehltau befallen ist. Wie der Gärtner mir sagte, will er ihn nächste Woche fällen. Also habe ich vor ein paar Tagen, als Miss B. und auch Mama sich nach dem Mittagessen hingelegt haben, meine Zimmertür verschlossen, die Vorhänge zugezogen und in dem Buch nachgeschlagen.
      Zuerst verwandelte ich meine Ankleidekommode in einen Altar, indem ich sie in weiße Seide hüllte, Kerzen aus reinem Wachs entzündete und die geheimen Worte der Segnung beschwor. Dann zog ich auf dem Boden vor dem Altar einen Kreis um mich herum, der mir Schutz und Stärke gewähren sollte. Danach sprach ich die entsprechenden Zauberformeln und verbrannte das Öl und die Kräuter, wie es in dem Buch geschrieben steht. Währenddessen leerte ich meinen Geist und sammelte meine Aufmerksamkeit, bis ich überall um mich herum Sterne aus Feuer und Licht sehen konnte.
      Als die Mischung kühler geworden war, schlich ich mich heimlich in den Gemüsegarten und rieb den Baum damit ein. Dann nahm ich eine einzelne Haarsträhne von mir und band sie um einen der Zweige. Als ich meine Hand an den Baumstamm legte, konnte ich spüren, wie die Lebenskraft darin auf meine Beschwörung reagierte. Heute habe ich gesehen, dass das Baumgeschwür, das den Stamm befallen hatte, bereits zu schrumpfen begonnen hat, und der Mehltau auf den Blättern lässt ebenfalls nach. Ich weiß, dass ich noch mehr tun kann, sogar viel mehr. So, wie einige die Gabe besitzen, in einer Weise zu singen oder zu malen, wie ich es mir nie vorstellen k?nnte, habe auch ich eine wundersame Gabe erhalten: das Geheime Feuer und seinen gro?en Sch?pfer zu erkennen und ihm zu dienen. Oh, meine Worte m?gen ungest?m wirken, aber ich wei?, was ich gesehen und getan habe.
      Ich kann Kerzen mit einem Augenzwinkern auslöschen und das Feuer in meinem Kamin mit einem leichten Zucken des Handgelenks und der Kraft meiner Gedanken erwecken. Ich kann durch die Schatten ins Licht sehen, wo ein Mädchen mit leuchtenden Haaren und seltsamer Kleidung einsam und allein am See entlanggeht. Dies alles und noch viel mehr möchte ich erforschen, und sämtliche tiefen Geheimnisse lösen, die in dem Buch aufgeführt werden. Aber ich mache mir Sorgen um S. Es kommt mir schon jetzt so vor, als würden wir verschiedene Richtungen einschlagen, und das macht mir Angst, was sein großes Abenteuer betrifft. Ja, er beunruhigt mich, auch wenn ich nur schwer erklären kann, warum das so ist.
      Es begann an dem Tag nach unserem ersten Versuch, in der Höhle in den Moors den Kreis zu bilden. Er ist nach dem Frühstück wieder beim Kloster vorbeigekommen, wie immer, aber er war mir gegenüber mürrisch, sogar wütend.
      »Wieso haben die Geister auf dich reagiert und nicht auf mich?«, wollte er wieder und wieder wissen, ganz, als hätte ich es absichtlich getan, um ihn zu ärgern.
      »Ich weiß es nicht; vielleicht solltest du es noch einmal versuchen …«
      »Ja, kehren wir zur Höhle zurück, jetzt gleich.« Er drängte mich aus dem Haus, und wir preschten waghalsig über die Hügel. Als wir dann in der Höhle waren und er das Ritual erneut ausführte, tat er es mit heftiger Eindringlichkeit und großer Sorgfalt, genauestens darauf achtend, dass er kein Stückchen dieses seltsamen Rituals ausließ. Seine ganze Kraft und Leidenschaft setzte er dafür ein, die Kräfte zu beschwören und das unsterbliche Feuer herbeizurufen. Aber auch diesmal waren es meine Hände, in denen die Flammen erwachten, nicht seine. Er weigerte sich jedoch aufzugeben, und versuchte es mit jeder Beschwörungsformel, die er kannte, bis seine Augen vor Verzweiflung brannten. Ich konnte es nicht ertragen, ihn derart verlassen und verzweifelt zu erleben, und wünschte mir im Stillen, dass er das erhalten würde, was er sich so ersehnte.
      Als die weißen Flammen in meinen Händen flackerten, als wären es lachende Kinder, stand ich vor einer Entscheidung. Es kam mir so vor, als hätte ich die Möglichkeit, darüber zu bestimmen, ob S. in die Mysterien eingebunden werden würde oder nicht. Und ich zögerte. Mein ganzes Leben lang hatte ich in seinem Schatten gestanden, war ich jünger gewesen,

Weitere Kostenlose Bücher