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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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in Wyldcliffe wollte das. Ich sah zu ihm hoch und versuchte, in seinen Geist zu sehen.
      »Wie heißt du?«
      Er zögerte, als würde er irgendwo in weiter Ferne nach etwas suchen.
      »Sebastian.« Er umklammerte meine Hand jetzt sogar noch fester. »Ich heiße Sebastian. Bitte sag ja.«
      »Ja«, sagte ich einfach nur. »Ja, ich verspreche es.«
      Ein Lächeln breitete sich auf seinem blassen Gesicht aus, ein L?cheln, das so fr?hlich war wie der Sonnenschein. Sanft drehte er meine Hand herum und dr?ckte seine Lippen auf die inzwischen fast unsichtbare Narbe.
      »Also, dann bis morgen Nacht.«
      Ich antwortete nicht. Sein Mantel rutschte von meinen Schultern, und ich floh. Später wusste ich nicht mehr, wie ich in mein Bett gekommen war, ich wusste nur, dass mein Herz bei jedem Schritt sang, den ich machte.
       
 
      Der nächste Tag verging wie im Flug. Die Schule selbst war so öde wie immer, aber jetzt hatte ich ein Geheimnis, ich hatte einen wunderbaren Traum. Da war eine Stimme in meinem Kopf, die mir Gesellschaft leistete, die Stimme eines hohlwangigen Jungen mit spöttisch dreinblickenden blauen Augen. Wohin ich an diesem Tag auch ging, er schien stets bei mir zu sein, mit mir zu sprechen, mich aufzuziehen, mich zu leiten. Als ich nicht mehr genau wusste, wie ich von der Schulbibliothek zurück zum Klassenraum kam, hörte ich ihn sagen: Nach links, Evie . Zum ersten Mal, seit ich in Wyldcliffe angekommen war, fühlte ich mich nicht mehr allein.
      So konnte es natürlich nicht bleiben. Als ich in dieser Nacht ins Bett ging, schlug über mir das Wissen um die Unmöglichkeit zusammen, Sebastian je wiederzusehen. Ich war noch einmal davongekommen, als ich mir eine Stunde unbekümmertes Herumwandern auf dem Schulgelände gegönnt hatte, aber es war zu riskant, es noch einmal zu tun.
      Aber du hast gesagt, du würdest ihn heute Nacht treffen. Du hast es versprochen. Nur ein einziges Mal noch , hielt ich mir selbst entgegen.
      Es ist zu riskant , beharrte mein rationales Selbst. Sie kriegen dich, und dann fliegst du von der Schule.
      Nein! Ich werde absolut vorsichtig sein.
      Vielleicht kommt er ja auch gar nicht.
      Aber ich wusste, dass er da sein würde. Um wieder mit ihm zusammen zu sein, musste ich mich lediglich zur Hintertreppe schleichen, mehr nicht.
      Tu das nicht, Evie. Sei vernünftig.
      Den Streit gewann natürlich die Seite der Vernunft. Ich gehörte nicht zu den Mädchen, die allein wegen eines hübschen Gesichts gegen die Regeln verstießen. Ich klopfte das Kissen in Form, schloss die Augen und glitt in einen unruhigen Schlaf.
      Ich träumte. Miss Scratton war rasend vor Wut auf mich, weil ich etwas getan hatte, von dem ich gar nicht genau wusste, was es war. Sie ging in der Klasse hin und her, während ich darauf wartete, dass meine Strafe verkündet wurde, und mich dabei erbärmlich fühlte. Dann rumpelte plötzlich Donner überall um uns herum, und die Mauern begannen zu beben. Ich begriff, dass es gar kein Donner war, sondern galoppierende Pferde. Die weißen Wände bekamen Risse und zerbröckelten, und ich sah ein ganzes Heer von Reitern wie einen einzigen dunklen Schatten über das Gras gleiten. Einer von ihnen drehte sich um; es war Sebastian. Ich sprang hinter ihm auf sein schwarzes Pferd, und wir preschten davon, ließen Miss Scratton zurück, die hinter mir schrie: »Deine Kette, Evie. Gib mir deine Kette!« Aber ich lachte nur und hielt mich an Sebastians angespanntem Körper fest, während wir stürmisch über die vom Mondlicht beleuchteten Moors ritten. Ich ließ meinen Kopf auf seine Schulter sinken, und unsere Haare wehten im Wind und schlangen sich umeinander. Dann ver?nderte sich der Traum. Wir standen allein unter einem Sternenhimmel, und er fl?sterte meinen Namen, w?hrend er sich zu mir herabbeugte und mich k?sste.
      Ich erwachte und wusste zunächst nicht, wo ich war. Als die Erinnerung allmählich zurückkehrte, wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich zog den dünnen Vorhang zur Seite und tastete langsam nach meinen Schuhen. Dann ging ich zu der schmalen Treppe, die mich in die Freiheit führen würde.
     

 Dreizehn
 
 
      
      Das Tagebuch von Lady Agnes,
 19. Oktober 1882
     
       
 
      Ich komme mir vor wie ein freigelassener Vogel. Der Mystische Weg ist wundervoll, wie etwas aus einem längst vergessenen Märchen, das von Sternen und Feuer und Eis handelt. Wir machen beide jeden Tag neue Entdeckungen, und obwohl S. das heilige Feuer

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