Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
Vom Netzwerk:
aus irgendeinem Grund immer noch nicht beschwören kann, verblüfft mich, was er stattdessen so schnell zu meistern gelernt hat. Gestern hat er mich damit überrascht, dass er meinen kleinen Spiegel erst in Stücke schlug und mir dann als Ganzes wieder zurückgab. Offenbar kann er mit seinem Geist die Atome selbst kontrollieren.
      Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich würde es nicht glauben. Meine Vorstellungen über das, was möglich ist, haben sich inzwischen geändert. Ich finde keine Erklärung für diese seltsame Magie. Es reicht mir, sie zu sehen und etwas mit ihr zu tun. Stunden habe ich damit verbracht, die Seiten des Buches zu verstehen, und S. übersetzt diejenigen Passagen, die in Latein und Griechisch geschrieben sind und hinter denen sich weitere Mysterien verbergen. Ein Kapitel aber konnte ich nur zu leicht selbst lesen: ?Wie man Licht an einen dunklen Ort bringt.? Ich konnte nicht widerstehen und musste meine F?higkeiten ?berpr?fen.
      Letzte Nacht – als Mama dachte, ich wäre im Bett – habe ich wieder die Tür meines Zimmers verschlossen und meinen Altar errichtet. Danach habe ich den Kreis gezogen und die Zeichen gemacht und schließlich die geheimen Worte aus dem Buch geflüstert. Sofort erloschen die Kerzen, und die Dunkelheit, die mich umgab, war so schwarz und dicht, dass ich sie beinahe in meiner Kehle schmecken konnte. Ich begann schon zu fürchten, dass ich etwas falsch gemacht haben könnte, denn das war ganz und gar nicht das, was ich erwartet hatte, aber ich machte weiter, sang die Beschwörungsformeln und konzentrierte mich. Ich hörte den Wind über die Moors fegen und vernahm den Klang des fernen Meeres, und schließlich leuchtete ein Licht in der Schwärze. Allein das wäre schon erstaunlich genug gewesen, aber das war noch nicht alles.
      Das Licht schien vollständig unter meiner Kontrolle zu sein. Es nahm jedwede Gestalt an, die ich mir einfallen ließ. Zuerst sah es wie ein Stern aus, um sich dann in einen herrlichen Vogel mit leuchtenden blauen Flügeln zu verwandeln, und danach in eine feurige Blume mit lebhaften Blütenblättern, und noch danach in eine blasse, runde Mondsichel. Ich lachte und fing das Licht in meiner Hand auf, um es dann in einer Wolke aus schimmernden gelben Schmetterlingen abzugeben …
      In etwas derart Schönem kann doch sicher nichts Böses verborgen liegen, oder?
     

 Vierzehn
 
 
      
      S ebastian war wunderschön, genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte.
      »Hast du schon immer in Wyldcliffe gelebt?«, fragte ich ihn, als wir beim See saßen. Hinter uns ragte hoch und dunkel die Ruine auf.
      »Mein ganzes Leben lang. Neunzehn Jahre.« Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Aber du hast keine Ahnung, wie lange mir das wirklich vorkommt.«
      »Wo lebst du? In einem dieser Häuschen im Dorf?«
      »Meine Familie besitzt ein altes Haus auf der anderen Seite des Tals«, sagte er ausweichend. Ich vermutete, dass er mit seinen Eltern nicht gut klarkam und deshalb nicht über sie sprechen wollte. Er stand auf und ging unruhig hin und her. »Ich kenne jeden Zoll dieses Tals, jeden Hügel und jeden Weg, der nach oben zu den Moors führt. Oh, Evie, ich sehne mich so danach, etwas Neues zu sehen!«
      »Aber du hast doch gesagt, dass du nach Indien und Marokko gereist wärst«, sagte ich. »Dann hast du doch schon viele Orte gesehen.«
      »Nicht genug.«
      »Aber du wirst neue Dinge erleben, wenn du auf die Uni gehst.« Er hatte mir erzählt, dass er für das nächste Jahr einen Platz hätte, um Philosophie zu studieren.
      »Oxford! Ein Haufen eifriger Schuljungen, die sich gegenseitig darin zu übertreffen versuchen, wer die besten Kommentare abgibt und mehr Bier als die anderen saufen kann. Das ist nicht das, was ich will.« Er ließ sich rücklings auf den Boden fallen, dann bemühte er sich, ruhiger zu sprechen. »Das Einzige, was ich immer gewollt habe, war das Wesen der Dinge zu ergründen und die ewigen Wahrheiten zu erfahren.«
      »Dann willst du ja nicht sehr viel«, neckte ich ihn. »Die Wahrheit zu kennen, die Bedeutung des Lebens zu wissen … Du bist nicht zufällig ein bisschen zu ehrgeizig?«
      Er starrte in das tiefe Wasser. »Ich gehe nicht nach Oxford. «
      »Aber werden deine Eltern dann nicht enttäuscht sein?«
      »Nein«, erwiderte er. »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Sprechen wir über etwas anderes.« Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Ich möchte über dich sprechen. Ich

Weitere Kostenlose Bücher