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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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arbeite fleißig . Dabei vergaß ich geflissentlich zu erwähnen, dass ich mitten in der Nacht durch die Gegend lief, auch wenn mein Gewissen mir sagte, dass Dad nicht gerade glücklich wäre, wenn er die Wahrheit dennoch erfahren würde. Ich machte mir selbst etwas vor, indem ich mir einredete, dass meine Treffen mit Sebastian nur ein bisschen Spaß und zu unwichtig wären, als dass ich irgendwelches Aufhebens darum machen sollte.
      Obwohl ich wusste, dass ich wochenlang keinen weiteren Brief von Dad bekommen würde, wartete ich jeden Morgen auf die Post, hoffte auf irgendein Zeichen, dass die Außenwelt mich nicht ganz und gar vergessen hatte. Einmal bekam ich eine vollgekritzelte Postkarte von einem Mädchen, das ich von meiner alten Schule kannte, aber das war auch schon alles. Natürlich kam nichts von Frankie.
      Eines Morgens jedoch, als der Oktobernebel über dem See hing, lag ein Brief für mich da. Die Schrift auf dem Umschlag war fein und geschwungen, und ich wusste sofort, dass er von Sebastian war. Er konnte von sonst niemandem sein. Wir hatten uns beinahe jede Nacht getroffen und uns endlos unterhalten über … oh, einfach alles ? die Natur und die Geschichte, die Philosophie und die Orte, die wir gern sehen w?rden, die B?cher, die wir gelesen hatten. Aber mir fiel auf, dass er nie ?ber seine Familie sprach.
      Bücher, Sterne, Reisen, Sonette … eines Nachts hatte Sebastian lachend versprochen, dass er mir ein Gedicht schreiben würde. Vielleicht stand es ja in dem Brief. Mein Herz stieß regelrecht gegen meine Rippen, als ich nach dem Umschlag griff. Aber jemand anders hatte seine Hand bereits darauf liegen, ehe ich ihn nehmen konnte.
      Es war Helen.
      »He, das ist mein Brief!«
      »Magst du Gedichte, Evie?«, fragte sie mit ihrer beunruhigend ausdruckslosen Miene.
      »Ich … was?« Sie konnte unmöglich von Sebastian wissen, oder?
      »Es heißt, dass Worte gefährlich sein können. Wenn ich du wäre, würde ich aufpassen.«
      Dann ging sie weg, und Celeste schob sich vor mich.
      »Evie Johnson hat einen Brief bekommen? Wer in aller Welt könnte dir wohl schreiben wollen, Johnson?« Sie riss mir den Briefumschlag aus der Hand. Ich versuchte, ihn mir zurückzuholen, aber sie gab ihn rasch an Sophie weiter, die ihn India zuwarf, und schon bald war eine ganze Gruppe lachender Mädchen damit beschäftigt, ihn hin und her zu werfen, sich aus meiner Reichweite zu winden und zu ducken.
      »Was hat dieser Lärm zu bedeuten?«
      Bei dem Klang von Miss Scrattons Stimme stoben alle auseinander und bauten sich in einem Kreis um mich herum auf. Mein Gesicht war gerötet, und ich war wütend.
      »Sie versuchen, mir meinen Brief wegzunehmen!« Ich klang wie eine mürrische Zehnjährige.
      »Wir haben nur etwas Spaß gemacht, Miss Scratton«, lächelte Celeste und reichte ihr den Umschlag. »Mrs. Hartle sagt immer, es ist wichtig, mitzumachen und kein Spielverderber zu sein.«
      Miss Scratton winkte mich zu sich. Sie blickte auf die geschwungene schwarze Schrift auf dem Umschlag. »Von wem ist der Brief, Evie?«, fragte sie.
      »Ich … ich weiß nicht. Von einem Freund.«
      »Einem Freund, den du nicht kennst? Wie seltsam.«
      »Einem Freund von zu Hause«, log ich.
      »Also schön, Evie, da hast du ihn.« Etwas schien sie davon abhalten zu wollen, ihn mir zu geben. »Versuche, in Zukunft nicht wieder so einen Aufstand zu machen. Du tätest gut daran, die Aufmerksamkeit nicht so sehr auf dich zu ziehen.«
      Ich war zu wütend, um ihr zuzuhören. Mir wurde die Schuld für etwas gegeben, das Celeste getan hatte. Ich stürmte aus dem Zimmer und stapfte den Korridor entlang zu unserem Klassenzimmer.
      Es war leer. Rasch setzte ich mich auf meinen Platz und riss den Briefumschlag auf.
      Meine liebste Evie,
      es war so gut, dich letzte Nacht gesehen zu haben. Nun, du hast um ein Gedicht gebeten, und hier ist es. Lies es, und vergib mir, dass ich nicht in der Lage bin, mich besser auszudrücken.
      Sebastian
      Auf der Rückseite standen einige Verse. Begierig fing ich an, sie zu überfliegen.
      Meine Lady Eve
mit deinem gütigen Herzen
berührst du diesen unruhigen Geist
Heilst ihn, linderst die Schmerzen…
      »He, Evie, alles in Ordnung?« Ich zuckte zusammen und sah auf. Es war Sarah. Ausnahmsweise stimmte es mich nicht froh, sie zu sehen. Hastig faltete ich den Brief zusammen. »Ich habe gehört, dass Celeste dich genervt hat.«
      »Nicht der Rede wert.«
     

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