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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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erwartet hatte. Ich hatte mich inzwischen an die grauen Gebäude des Klosters gewöhnt, aber die Hall , die sich hinter einem Schleier aus dichten Lorbeersträuchern verbarg, war ein freundliches Haus aus hellem Stein mit einer eleganten, säulenbestandenen Vorderfront. In der schroffen Heidelandschaft wirkte das Haus irgendwie fehl am Platz. Das allerdings war nicht das, was mich am meisten überraschte. Als wir den Zugangsweg hinaufgingen, sahen wir zwei Polizeiautos vor der Tür stehen. Die Museumsdirektorin eilte uns entgegen und begrüßte uns.
      »Oh, was für ein Jammer«, setzte sie sofort zu einer Erklärung an. »Ich habe versucht, Sie zu erreichen, Miss Scratton, aber als ich in der Schule anrief, hieß es, Sie hätten sich bereits auf den Weg gemacht. Ich konnte Sie daher nicht mehr rechtzeitig in Kenntnis setzen.«
      »In Kenntnis setzen?«, fragte Miss Scratton. »Worüber?«
      »Über diesen schrecklichen Einbruch. Ich kann es immer noch nicht fassen. Es ist alles verwüstet worden.« Die arme Frau schien den Tränen nahe zu sein und schob nervös die Brille an ihren richtigen Platz zurück.
      »Lieber Gott, ist irgendetwas gestohlen worden?«, fragte Miss Dalrymple.
      »Das ist ja das Seltsame«, sagte die Museumsdirektorin. »Alles ist durchwühlt worden, aber wir glauben, dass nur ein einziger Gegenstand mitgenommen wurde.«
      »Und was ist das für einer?«, fragte Miss Scratton scharf. »Sofern Sie mir die Frage nicht verübeln.«
      »Ganz und gar nicht. Ich vermute, es wird sowieso in die Zeitung kommen. Es war ein Portrait, nicht besonders wertvoll, aber von großer Bedeutung: Ein Mitglied der Familie Fairfax war darauf abgebildet, ein faszinierender Mensch. Oh, lieber Gott … ich sollte lieber wieder zur Polizei zurückgehen – und Sie sind jetzt vollkommen umsonst den ganzen Weg hierhergelaufen. Ich fürchte, niemand darf reinkommen, solange die Polizei noch mit ihren Untersuchungen beschäftigt ist.«
      Ein paar Mädchen stöhnten leise, als sie das hörten.
      »Aber wir können auch nicht gleich zur Schule zurück, oder, Miss Scratton?«, fragte Sophie.
      »Nein«, stimmte Miss Scratton ihr zu. »Es ist zu weit, um ohne Pause zurückzugehen, und der Bus, den ich bestellt habe, kommt frühestens in zwei Stunden. Wir werden wohl hier auf ihn warten müssen.«
      Die Vorstellung, dass wir nicht die Möglichkeit haben würden, ihr geliebtes Museum zu besichtigen, schien die Frau von der Hall wirklich unglücklich zu machen.
      »Oh, lieber Gott, lieber Gott«, sagte sie. »Natürlich muss ich mich um die Polizei kümmern, aber vielleicht können Sie wenigstens ein bisschen in den Gärten herumgehen. Selbst um diese Jahreszeit sind dort unzählige interessante Exemplare zu sehen. Sie wurden im neunzehnten Jahrhundert von Sir Edward Fairfax gepflanzt und gelten als sehr schönes Beispiel für … oh, bitte, entschuldigen Sie mich.«
      Sie lief ins Haus zurück; ein paar Minuten später tauchte sie wieder auf.
      »Der Sergeant hat gesagt, dass die Mädchen in den unteren Gärten beim See herumgehen können.«
      Beim See. Ich sah interessiert auf.
      »Wunderbar. Dort könnt ihr ein paar Zeichnungen anfertigen, Mädchen. Für die beste gibt es einen Preis«, sagte Miss Scratton.
      Die Klasse scharte sich um die Mistresses; die Aussicht auf einen kleinen Wettbewerb stimmte alle wieder fröhlicher. Wir begaben uns hinter das Haus zu den offiziellen Gärten mit ihren Gehwegen und parzellierten und herrschaftlichen Blumenbeeten. Der See allerdings erwies sich als Enttäuschung. Es handelte sich um eine ziemlich karge, von Menschen hergestellte Angelegenheit; eigentlich war es nur ein besserer Teich mit einem ausgefallenen Springbrunnen in der Mitte.
      Ich fand eine Steinbank, auf die ich mich setzen konnte, und startete ein paar schwache Versuche, den Springbrunnen zu zeichnen. Sebastian hatte Recht gehabt: Unser Ausflug zur Fairfax Hall war ein kompletter Reinfall. Ich fragte mich, wann er hier gewesen war – er schien es durch und durch zu kennen. Ich stellte mir vor, wie er als Kind von seinen Eltern durch das Museum geschleift worden war. Aber nein, das konnte nicht sein, wie mir einfiel, denn Miss Scratton hatte ja erzählt, dass das Haus erst kürzlich eröffnet worden war. Vielleicht hatte er sich in der Nacht reingeschlichen, so, wie er sich in Wyldcliffe reinschlich. Das passte auch besser zu ihm. Ich grinste in mich hinein, und plötzlich sehnte ich mich

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