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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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wenn ich ihm einen Brief schrieb, Antworten auf meine Fragen haben würde. Ich selbst konnte mich nur an das erinnern, was ich von Frankie wusste, nämlich dass ihre Großmutter aus dem Norden stammte und eine Bauersfrau gewesen war, die auf einem Hof in der Nähe von Wyldcliffe gelebt hatte. Aber wie hatte dieser Hof noch geheißen? Ich war mir sicher, dass Frankie es erwähnt hatte. Und dann war der Hof aus irgendeinem Grund nicht mehr gelaufen, Frankies Großmutter war gestorben und hatte ein kleines Baby hinterlassen. Ihr Mann – also Frankies Großvater – hatte wieder geheiratet und war mit dem kleinen Mädchen weggezogen, um ein neues Leben zu beginnen. Er war erst nach Westen gegangen und dann zum Meer. Und das Mädchen war schließlich Frankies Mutter geworden. Es kam mir alles ziemlich kompliziert vor.
      In diesem Moment schlug die Uhr in dem weißen Zimmer zehn. Ich gähnte.
      Also hatte Frankie lediglich ihre Stiefgroßmutter kennen gelernt. Ich erinnerte mich daran, dass ich einmal ein altes Bild von ihr gesehen hatte ? Sally? Molly? ?, auf dem sie auf einem umgedrehten Boot sa? und ein Fischernetz flickte. Aber das war nicht die richtige Frau; mit ihr war ich nicht verwandt. Ich begann wegzud?mmern und in den Schlaf zu gleiten. Ich musste noch weiter zur?ckgehen. Ich musste zum Hof zur?ckkehren, wie hatte er nur gehei?en, der Hof ?. dieser Hof ?
      Als ich am nächsten Tag die Augen öffnete, hallte die Antwort in meinem Kopf wider wie eine laute Glocke.
     

 Achtundzwanzig
 
 
      
      Das Tagebuch von Lady Agnes,
 12. Februar 1883
     
       
 
      Gestern beim Aufwachen habe ich klar und deutlich in meinem Geist gesehen, was ich tun muss. Aber es ist so schwer!
      Die letzten Wochen waren schrecklich. S. ist sehr krank. Wenn er nur im Januar in der Lage gewesen wäre, nach Oxford zu gehen, wie er es geplant hatte — vielleicht hätten ihn die neuen Menschen und Ideen, mit denen er dort in Berührung gekommen wäre, von seiner Besessenheit abgebracht. Jetzt besteht darauf keine Hoffnung mehr. Er wird von anfallartigen Krämpfen und Fieberschüben gequält, die es unmöglich machen, dass er dorthin geht. Seine Eltern sind verzweifelt und haben einen bekannten Arzt aus London kommen lassen, der seine Melancholie behandeln soll.
      Wie Martha mir erzählt hat, flüstert die Dienerschaft der Hall über die schrecklichen Szenen, die sich dort abspielen, wenn S. auf den Arzt losgeht, seine Instrumente zerstört und wie ein Wahnsinniger tobt, bis er von seinem Vater und den Dienern festgehalten wird. Sie gehen davon aus, dass er wieder unter dem Fieber leidet, das er sich in Marokko zugezogen hat und das jetzt erneut in ihm brennt, aber ich wei?, was wirklich an ihm zehrt, an seinem K?rper und an seiner Seele. Ich wei? es, denn ich bin diejenige, die er in seinem Delirium sucht, ich und das kostbare ?Geschenk?, von dem er glaubt, dass ich es ihm geben k?nnte, wenn ich nur wollte.
      Ich muss weg von hier. Ich muss mich aus seiner Reichweite bringen, es geht nicht anders.
      Wie so viele andere Verzweifelte und Unglückliche vor mir, habe ich mich entschieden, nach London zu gehen, wo man leicht untertauchen kann. Es wird mir das Herz brechen, Wyldcliffe zu verlassen, aber der Schmerz, den ich meinen Eltern zufügen werde, ist schlimmer als alles andere. Sie werden nie erfahren, warum ich dies tun muss.
      Ich habe einen Brief für sie geschrieben, in dem ich ihnen mitteile, dass ich die Freiheit und ein neues Leben will und dass es sinnlos sein wird, nach mir zu suchen. Ich habe ihnen geschrieben, dass sie der Gerüchteküche mitteilen sollen, ich wäre nach Paris zu meiner Tante gegangen, um bei ihr zu leben. Als ich ihnen vorhin eine gute Nacht gewünscht habe, habe ich ihnen gesagt, dass ich sie liebe. Ob sie mir das noch glauben werden, wenn sie morgen meinen Brief lesen? Es gibt sonst nichts, was ich tun könnte, und ich habe auch gar keine andere Wahl.
      Morgen werde ich noch vor den Dienerinnen aufstehen und das wenige Geld nehmen, das ich besitze, sowie ein bisschen Kleidung. Ich habe Daniel Jones, den örtlichen Fuhrmann, bestochen, der mich am Ende der Straße auflesen und zur nächsten Eisenbahnstation bringen wird. Und dann beginnt die Reise in die gro?e Stadt, in ein paar schlichten Kleidungsst?cken, die ich heimlich im Dorf erstanden habe.
      Der arme Papa hat mir versprochen, dass wir in diesem Sommer zusammen mit der Eisenbahn nach London fahren werden. Wie gern hätte

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