Die Achte Fanfare
Augenblick später strömte mindestens ein Dutzend Hashi durch die Schreckenskammer und über das Kopfsteinpflaster, doch die Geräusche und Lichteffekte lenkten sie ab. Einer riß die falsche Tür des Ten Bells auf, fand dahinter jedoch lediglich nur zum Teil ausgearbeitete Figuren und gemalte Schatten. Ein anderer stürmte in das kleine Schlafzimmer, das für Kimberlain als Versteck nicht in Frage gekommen war, und trat das Wachskind beiseite, um unter dem Bett nachzusehen. Die Hashi waren offensichtlich verwirrt; was ein sauberer, schneller Mord hatte sein sollen, dauerte nun schon viel zu lange. Dann gingen sie weiter, überzeugt, daß auch Kimberlain weitergegangen war. Doch sie ließen Wachen zurück, für den Fall, daß er auf dem gleichen Weg umkehren wollte. Schon wieder ein Patt, und es würde so weitergehen, bis sie ihn durch ihre überlegene Zahl erwischten oder er einen Fehler machte.
Kimberlain suchte die Wände und die Decke nach einem Rauchdetektor ab. Wenn er irgendwie einen aktivieren könnte, wäre innerhalb von ein paar Minuten Hilfe hier. Doch er fand keinen, und damit blieb ihm nur noch …
Ja, überlegte er, nur noch eine letzte Möglichkeit. Sie hatten ihn eingekreist, würden jedoch niemals erwarten, daß er den Spieß umdrehte, indem er denen folgte, die ihm durch den Rest der Schreckenskammer vorausgeeilt waren. Geräuschlos glitt der Fährmann die Stufen hinab, ließ die Leichenräuber hinter sich und machte sich auf den Weg durch das letzte Stück des Ganges, wobei er den Rücken so dicht wie möglich gegen die Wand drückte.
Die Wand endete in der Darstellung einer Todeszelle, und er eilte weiter, wobei Charles Manson die letzte Figur auf seinem Weg war, bevor er eine weitere Treppe erreichte, die wieder zum Erdgeschoß hinaufführte. Neben der Treppe befand sich eine schwarze Doppeltür, die auf die Straße führte, und daneben eine rote Feueraxt in einer Halterung an der Wand. Er überlegte, ob er sich mit der Axt den Weg freischlagen sollte, als hinter ihm Schritte erklangen. Die Wachen waren ungeduldig geworden, oder vielleicht war gerade der vereinbarte Zeitraum abgelaufen, den sie dort unten warten sollten. Kimberlain mußte sich etwas einfallen lassen.
Geschützfeuer brannte in seinen Ohren, als er in eine Ausstellung lief, die die Schlacht von Trafalgar verewigte. Ein Kanonendeck bewegte sich im Rhythmus mit den Donnerschlägen hin und her, und rußgeschwärzte Schützen bemannten die Kanonen in der Dunkelheit, die immer wieder von Explosionen weißen Rauchs zerrissen wurde. Kimberlain sprang auf die Plattform und kauerte sich in einer dunklen Ecke neben einigen Kanonenkugeln zusammen.
Die Kanonen feuerten weiter, und unter dem auf Tonband aufgezeichneten Geschützfeuer beobachtete Kimberlain, wie weitere Hashi vorbeigingen, die ihn in der lebensechten Szene jedoch nicht ausmachen konnten. Um zu überleben, war er Teil einer Ausstellung von Soldaten und Kampfszenen geworden, die schon längst der Vergangenheit angehörten und – die reinste Ironie! – nun lediglich dazu dienten, ihm Tarnung zu verschaffen. An der schwarzen Ausgangstür hätte ihm mit Hilfe der Feueraxt die Flucht gelingen können, doch nun wich er vorsichtig an der Rückseite des Szenenbildes zurück, darauf bedacht, den Kanonen auszuweichen, und lief dann schnell zum vorderen Geländer hinüber und stieg es hinab, womit er sich dem Ausgang wieder so weit genähert hatte, wie er es wagte. Er griff nach der Axt, als die Doppeltür aufgeschwungen wurde und eine Sirene gellend aufheulte.
Und direkt vor ihm stand eine blonde Frau in einer braunen Lederjacke, die ihm mittlerweile sehr vertraut geworden war.
26
»Sie!« war alles, was er über die Lippen brachte, während er zu der Gestalt stürmte, die so starr wie eine von Madame Tussauds Wachsfiguren dastand.
»Schnell!« sagte sie und winkte ihn zu sich. »Wir haben keine Zeit!«
Kimberlain war schon durch die Tür und legte ihr die Hand um den Hals, bevor sie reagieren konnte; der Tod war nur eine Drehung entfernt.
»Wir sind keine Feinde!« keuchte sie. »Bitte, Sie müssen mir glauben! Wir können hier heraus, aber wir müssen uns beeilen!«
Wie um ihre Worte zu unterstreichen, zerrissen Kugeln um sie herum die Luft. Die Alarmglocken des Museums gellten weiterhin. Da Kimberlain keine andere Wahl blieb, stieß er die Frau voran und folgte ihr. In ihrem Kielwasser erklangen weitere Schüsse, und er sehnte sich nach einer eigenen Waffe, wenngleich
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