Die Achte Fanfare
Zeus und drehte sich zu ihm um.
»Das sehe ich.«
»Aber wie kann ich sie nur genießen? Schließlich bin ich doch von Geburt an blind.«
»Das haben Sie mir zumindest gesagt.«
»Doch der Verstand hat selbst Augen, Fährmann. Er kann jede gewünschte Aussicht darstellen. Würden Sie gern wissen, was ich tue, wenn ich hier herauf komme?« Er wartete nicht auf Antwort. »Ich drücke meine Augen gegen die Linsen und lasse mir von einem meiner Männer die Aussicht oder ein Gebäude beschreiben. Ich kann es in meinem Verstand sehen und stelle mir vor, ich könnte es auch durch das Fernglas sehen. Wahrscheinlich empfinden Sie ähnlich, wenn Sie sich in die Gedanken eines Wahnsinnigen versetzen, den Sie jagen. Ihr Verstand bildet Eindrücke, die auf den zur Verfügung stehenden Daten basieren, und zwar so gut, daß Sie wissen, womit oder mit wem Sie es zu tun haben, noch bevor Sie den Betreffenden jemals gesehen, geschweige denn, sich mit ihm auseinandergesetzt haben.«
»Es ist wichtig für Sie, das zu verstehen«, sagte Kimberlain anstelle der Frage, die er hatte stellen wollen.
»Hätten Sie etwas anderes erwartet?«
»Aber das läuft doch wieder auf eine gewisse Kontrolle hinaus, oder nicht? Wenn Sie verstehen, wie ich arbeite, hilft Ihnen das, Kontrolle über mich zu gewinnen.«
Zeus wandte sich fast traurig ab. »Ich will nicht abstreiten, daß dem so ist, doch dabei handelt es sich um eine unbeabsichtigte Nebenwirkung. Ich habe Ihnen gerade etwas verraten, was ich außer meinen Leibwächtern noch niemandem verraten habe. Ich wollte Sie darüber informieren, weil ich, gottverdammt noch mal, Sie mag und möchte, daß auch Sie mich mögen.« Er hielt inne. »Während Ihrer letzten Monate bei den Caretakern habe ich den falschen Leuten erlaubt, diese Eindrücke für mich zu sammeln. Ja, das Bild, das ich daraufhin entworfen habe, war ganz allein meins, und daher habe ich auch die Verantwortung zu tragen. Doch es ist ein Bild, das ich heute sehr bedauere. Ich habe erkannt, wie falsch es war.«
Kimberlain ertappte sich bei dem Gedanken, daß er den alten Mann tatsächlich zu mögen schien, und widersetzte sich diesem Gefühl nicht. »Aber da ist noch mehr, Zeus.«
Der Blinde nickte und versuchte, nicht verletzbarer zu wirken, als es schon der Fall war. »Das C-12 fällt unter meine Verantwortung. Man kann nur überleben, wenn man Pflichtgefühl oder Ideale hat, doch dieser unehrenhafte Vorfall nimmt mir beides.« Seine toten Augen hinter der ständig gegenwärtigen Sonnenbrille fixierten Kimberlain. »Wenn dieser Sprengstoff als Teil des großen Plans eingesetzt wird, dem Sie auf der Spur zu sein glauben, bleibt mir nichts mehr. Sie sind der einzige Mensch, der mir helfen kann, Jared. Deshalb habe ich mich ursprünglich auch an Sie gewandt. Deshalb habe ich Sie gebeten, mich heute morgen hier oben zu treffen. Damit Sie mich verstehen. Sie verstehen mich doch, oder?«
Kimberlain nickte langsam; er wußte, daß der Blinde die Geste spüren würde. Er hätte auch mit Worten geantwortet, wäre in diesem Augenblick nicht Kamanski in der Tür aufgetaucht, die zum westlichen Deck der Promenade führte.
»Die Schließfächer sind leer«, meldete er, was Zeus einen Seufzer entlockte. »Doch das C-12 befand sich darin. Dafür gibt es eindeutig Beweise. Die Experten meinen, die Fächer seien vor achtundvierzig bis zweiundsiebzig Stunden geleert worden.«
»Läßt sich feststellen, wie lange der Sprengstoff davor in den Fächern lag?« fragte Kimberlain.
»Die Jungs von der Spurensicherung meinen, mindestens zwei Wochen.«
»Der letzte Klumpen C-12 wurde fast auf den Tag genau vor drei Wochen vermißt«, erklärte Zeus ernst.
»Dann müssen sie das Zeug fortgeschafft haben, als wir ihnen auf die Schliche kamen«, sagte Kamanski. »Ihr Besuch bei Mendelson muß sie aufgescheucht haben. Wahrscheinlich hatten sie Angst, daß er Ihnen etwas verraten könnte.«
»Mendelson hat nicht die Bohne von dem Sprengstoff gewußt«, sagte Kimberlain. »Er muß dieselben Schließfächer benutzt haben, als er ihnen die noch nicht zusammengesetzten Bestandteile der Wasserkanone lieferte, und wollte uns nur auf irgendeine Spur bringen, mit der wir vielleicht etwas anfangen können. Daß das C-12 entfernt wurde, hat nichts mit ihm zu tun. Es wurde entfernt, weil ihr Zeitplan es so vorsieht.«
»Doch das würde bedeuten, daß es hier eingesetzt werden soll. In New York.«
»Eine Million werden vor fünfzig Millionen sterben«, zitierte
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