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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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schließen ließ, dass er entweder gerade erst gekommen war oder im Begriff war, zu gehen.
    Marguerite spürte, wie sie errötete, weil er sie förmlich mit den Augen auszog, spürte ihre Haut warm werden. Schweißperlen bildeten sich zwischen ihren Brüsten und unter der engen Schnürung des Korsetts.
    »Verzeihen Sie«, sagte sie und warf Du Pont einen ängstlichen Blick zu, »aber kennen wir …«
    »Mein Herr«, sagte er und nickte Du Pont entschuldigend zu. »Wenn Sie gestatten?«
    Beschwichtigt nickte Du Pont knapp.
    »Ich bin ein Bekannter Ihres Sohnes, Madame Vernier«, sagte er und zog eine Visitenkarte aus seiner Westentasche. »Victor Constant, Comte de Tourmaline.«
    Marguerite nahm die Karte nach kurzem Zögern.
    »Es ist überaus unhöflich, Sie zu stören, ich weiß, aber ich müsste Vernier dringend in einer wichtigen Angelegenheit sprechen. Ich war auf dem Lande, bin erst heute Abend in die Stadt gekommen und hatte gehofft, Ihren Sohn zu Hause anzutreffen. Aber leider …« Er zuckte die Achseln.
    Marguerite hatte schon viele Männer gekannt. Sie wusste stets, wie sie mit einer Zufallsbekanntschaft am besten umging, wie sie reden, schmeicheln, ihren Charme spielen lassen konnte. Aber dieser Mann? Sie konnte ihn nicht einordnen.
    Sie schaute auf die Visitenkarte in ihrer Hand. Anatole erzählte ihr nicht viel von seinen Geschäften, aber Marguerite war sicher, dass er einen so vornehmen Namen noch nie erwähnt hatte, weder als Freund noch als Kunden.
    »Wissen Sie vielleicht, wo ich ihn finden kann, Madame Vernier?«
    Marguerite verspürte einen Schauder des Begehrens, dann Furcht. Beides war lustvoll. Beides beunruhigte sie. Seine Augen verengten sich, als könnte er ihre Gedanken lesen, und er nickte leicht.
    »Leider nein, Monsieur«, erwiderte sie mit bemüht fester Stimme. »Vielleicht können Sie Ihre Karte in seinem Büro abgeben …«
    Constant neigte den Kopf. »In der Tat, das werde ich. Und das Büro befindet sich …«
    »In der Rue Montorgueil. Die Hausnummer habe ich leider nicht im Kopf.«
    Constant sah sie weiter unverwandt an. »Sehr gut«, sagte er schließlich. »Ich bitte nochmals um Entschuldigung für die Störung. Wenn Sie so freundlich wären, Madame Vernier, Ihrem Sohn auszurichten, dass ich nach ihm suche, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
    Ohne Vorwarnung griff er nach unten, nahm ihre Hand, die auf ihrem Schoß ruhte, und hob sie an den Mund. Marguerite spürte seinen Atem und das Kitzeln seines Schnurrbarts durch den Handschuh hindurch und fühlte sich von ihrem Körper verraten, dessen Reaktion auf seine Berührung im krassen Gegensatz zu ihren Wünschen stand.
    »A bientôt,
Madame Vernier.
Mon Général.«
    Dann deutete er eine knappe Verbeugung an und ging. Der Kellner kam und füllte ihre Gläser auf. Du Pont fuhr aus der Haut.
    »Was für ein unverschämter, impertinenter Halunke«, knurrte er und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Völlig taktlos. Für wen hält sich dieser Lump eigentlich, Sie so zu beleidigen?«
    »Mich beleidigen? Inwiefern, Georges?«
    »Der Bursche konnte doch seine Augen nicht von Ihnen lassen.«
    »Wirklich, Georges, das habe ich gar nicht bemerkt. Er hat mich nicht interessiert«, sagte sie in dem Versuch, eine Szene zu vermeiden. »Bitte machen Sie sich wegen mir keine Gedanken.«
    »Kennen Sie den Burschen?«, fragte Du Pont plötzlich argwöhnisch.
    »Ich sagte doch, nein«, erwiderte sie ruhig.
    »Der Bursche kannte meinen Namen«, wandte er ein.
    »Vielleicht hat er Sie aus der Zeitung wiedererkannt, Georges«, sagte sie. »Sie wissen gar nicht, wie viele Menschen Sie kennen. Sie vergessen, was für eine bekannte Persönlichkeit Sie sind.«
    Marguerite sah ihm an, dass die behutsame Schmeichelei sein Misstrauen beruhigte. Um die Sache zu beenden, fasste sie Constants edle Visitenkarte an einer Ecke und hielt sie an die Flamme der Kerze, die mitten auf dem Tisch stand. Das Papier brauchte einen Moment, bis es Feuer fing, und brannte dann hell und lichterloh.
    »Was in Gottes Namen machen Sie denn?«
    Marguerite hob ihre langen Wimpern, blickte dann wieder nach unten auf die Flamme, bis sie ein letztes Mal aufflackerte und erlosch. »So«, sagte sie und fegte die graue Asche von der Spitze ihres Handschuhs in den Aschenbecher. »Vorbei und vergessen. Und falls der Graf jemand ist, mit dem mein Sohn Geschäfte machen möchte, dann wäre der richtige Ort dafür zwischen zehn und fünf in seinem Büro.«
    Georges nickte zustimmend.

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