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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Woher …«
    »Wann haben Sie begonnen, die Bilder zu malen, Madomaisèla?«
    »Am Nachmittag vor dem Diner. Ich wollte mich nur irgendwie beschäftigen, um die Wartezeit zu überbrücken. Und dann merkte ich, dass ich ohne den geringsten bewussten Vorsatz mich selbst in das Bild hineingemalt hatte, Monsieur Baillard. Danach empfand ich den Drang, damit weiterzumachen.«
    »Darf ich fragen, in welches der Bilder?«
    »La Force.« Sie hielt inne, und ein Schaudern durchlief sie, als sie an die komplizierten Gefühle dachte, die sie in diesem Moment erfasst hatten. »Das Gesicht war mein Gesicht. Was meinen Sie, wie kommt das?«
    »Die nächstliegende Erklärung wäre die, dass Sie in sich selbst die Eigenschaft der Kraft sehen.«
    Léonie wartete, wollte mehr hören, begriff dann aber, dass Monsieur Baillard zu dem Thema alles gesagt hatte, was er sagen wollte.
    »Ich gebe zu, ich interessiere mich zunehmend für meinen Onkel und für die Erlebnisse, die er in seinem Text
Les Tarots
schildert«, fuhr Léonie fort. »Sie müssen sich nicht genötigt fühlen, mir zu antworten, Monsieur Baillard, doch ich habe mich gefragt, ob Sie meinen Onkel zum Zeitpunkt der in seinem Büchlein beschriebenen Ereignisse bereits kannten.« Sie studierte sein Gesicht, suchte nach Zeichen der Ermutigung oder des Missfallens ob ihrer Frage, doch seine Mimik blieb unergründlich. »Mir ist klar geworden, dass die … Situation genau in den Zeitraum fällt, nachdem meine Mutter die Domaine de la Cade verlassen hatte und bevor mein Onkel und meine Tante heirateten.« Sie zögerte. »Ich stelle mir vor, und das meine ich keineswegs respektlos, dass mein Onkel vom Charakter her ein Einzelgänger war, der nicht unbedingt die Gesellschaft anderer Menschen suchte.«
    Wieder hielt sie inne, um Monsieur Baillard die Gelegenheit zu geben, etwas zu erwidern. Doch er saß einfach nur ruhig da, die blaugeäderten Hände im Schoß, und schien sich mit Zuhören begnügen zu wollen.
    »Aus Bemerkungen meiner Tante Isolde«, fuhr Léonie fort, »gewann ich den Eindruck, dass Sie dabei behilflich waren, meinen Onkel und Abbé Saunière miteinander bekannt zu machen, nachdem er als Pfarrer von Rennes-le-Château eingesetzt worden war. Sie deutete überdies an, ebenso wie Sie, es habe irgendwelche Widrigkeiten gegeben, Gerüchte, Vorfälle, die im Zusammenhang mit der Grabkapelle standen und die das Eingreifen eines Geistlichen erforderlich machten.«
    »Ah.« Audric Baillard presste die Fingerspitzen aufeinander.
    Sie holte tief Luft. »Ich habe … Hat Abbé Sauniére für meinen Onkel einen Exorzismus vorgenommen, war es das? Hat ein derartiges … Ereignis in der Grabkapelle stattgefunden?«
    Diesmal wartete Léonie ab, nachdem sie die Frage gestellt hatte. Sie ließ die Überredungskunst der Stille wirken. Endlos lange, so schien es ihr zumindest, war nur das Ticken der Uhr zu hören. Aus einem Zimmer auf der anderen Seite des Flurs hörte sie das Klappern von Geschirr und das unverkennbare Kratzen eines groben Besens über die Holzdielen.
    »Um den Ort vom Bösen zu befreien«, sagte sie schließlich. »War es so? Das ein oder andere Mal habe ich es erahnt. Aber jetzt ist mir klar, dass meine Mutter die Anwesenheit des Bösen gespürt haben muss, Monsieur, als sie noch ein Mädchen war. Sie hat die Domaine verlassen, sobald sie konnte.«

Kapitel 72
    ∞
    E s gibt Tarots«, sagte Baillard schließlich, »bei denen die Teufelskarte nach dem Kopf von Baphomet gestaltet ist, dem Götzen, den die Armen Ritter Christi vom Tempel Salomos angeblich anbeteten, wie man ihnen fälschlicherweise vorwarf.«
    Léonie nickte, obwohl ihr nicht klar war, inwiefern diese Abschweifung von Bedeutung sein sollte.
    »Angeblich befand sich nicht weit von hier, in Bézu, ein Altarplatz der Templer«, sprach er weiter. »Dergleichen gab es natürlich nicht. Was historische Fakten angeht, herrscht im kollektiven Gedächtnis Verwirrung, und es werden die Albigenser und die Templer miteinander verwechselt. Wahr ist, dass sie zur gleichen Zeit auf Erden wandelten, doch es gab kaum Berührungspunkte zwischen den beiden. Es war ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen, keine Überlappung.«
    »Aber was hat das mit der Domaine de la Cade zu tun, Monsieur Baillard?«
    Er lächelte. »Bei Ihrem Besuch haben Sie doch gewiss die Asmodeus-Statue bemerkt,
è?
Die die Last des Taufbeckens trägt?«
    »Ja.«
    »Asmodeus, auch bekannt als Asmodis oder Aschmodai, ist höchstwahrscheinlich

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