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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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abgeleitet von Aeshma-Daeva, einer alten persischen Bezeichnung für Dämon des Zorns. Asmodeus taucht in dem deuterokanonischen Buch Tobit ebenso auf wie im Testament Salomons, einem apokryphen Text des Alten Testaments. Dabei handelt es sich um ein Werk, das angeblich von Salomon verfasst wurde und ihm zugeschrieben wird, wobei dies aber wohl kaum der historischen Wahrheit entspricht.«
    Léonie nickte erneut, obwohl ihre Kenntnis des Alten Testaments recht beschränkt war. Weder sie noch Anatole waren zur Sonntagsschule gegangen oder hatten ihren Katechismus gelernt. Religiöser Aberglaube, so behauptete ihre Mutter, vertrug sich schlecht mit moderner Vernunft. Auch wenn Marguerite in Fragen von Sitte und Anstand eher traditionell dachte, war sie doch eine vehemente Gegnerin der Kirche. Jetzt fragte Léonie sich zum ersten Mal, ob diese heftige Ablehnung seitens ihrer Mutter vielleicht auf die Atmosphäre der Domaine de la Cade zurückzuführen war, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte, und sie nahm sich vor, sie bei nächster Gelegenheit zu fragen.
    Monsieur Baillards ruhige Stimme holte sie aus ihren Überlegungen.
    »Die Geschichte erzählt, wie König Salomon Asmodeus anruft, damit er ihm beim Bau des Tempels hilft – des großen Tempels. Asmodeus, ein Dämon, der vor allem mit Begierde in Verbindung gebracht wird, erscheint tatsächlich, doch seine Anwesenheit ist beängstigend. Er prophezeit, dass Salomons Königreich eines Tages geteilt werden wird.«
    Baillard stand auf und ging zu dem Bücherregal, wo er ein kleines, in braunes Leder gebundenes Buch herausnahm. Er blätterte die hauchdünnen Seiten um, bis seine zarten Finger die gesuchte Passage gefunden hatten.
    »Hier steht: ›Mein Sternbild ist wie ein Tier, das in seiner Höhle Zuflucht sucht, sprach der Dämon. Daher erbitte nicht so viel von mir, Salomon, denn dein Reich wird geteilt werden. Dein Ruhm ist vergänglich. Du kannst uns eine kurze Weile quälen, doch dann werden wir wieder unter die Menschen gehen, und sie werden uns als Götter anbeten, weil die Menschen nicht um den Namen der Engel wissen, die über uns herrschen.‹« Er schloss das Buch und blickte auf. »Testament Salomons, Kapitel fünf, Verse vier und fünf.«
    Léonie wusste nicht, was sie erwidern sollte, also schwieg sie.
    »Wie ich vorhin gesagt habe, ist Asmodeus ein Dämon, der mit fleischlicher Begierde in Verbindung gebracht wird«, erklärte Baillard weiter. »Er ist vor allem der Feind der Frischverheirateten. Im apokryphen Buch Tobit peinigt er eine Frau namens Sarah, indem er nacheinander ihre sieben Ehemänner tötet, noch ehe die Ehe vollzogen werden kann. Dem achten Ehemann rät der Erzengel Raphael, Herz und Leber eines Fisches auf rotglühende Kohlen zu legen. Der Qualm und der üble Gestank stoßen Asmodeus ab und bringen ihn dazu, nach Ägypten zu fliehen, wo Raphael ihn in Fesseln legt.«
    Léonie fröstelte, weniger wegen seiner Worte, sondern wegen der jähen Erinnerung an den schwachen, aber widerwärtigen Gestank, der ihr in der Grabkapelle in die Nase gestiegen war. Ein unerklärlicher Geruch nach Feuchtigkeit, Rauch und Meer.
    »Diese Gleichnisse kommen uns recht archaisch vor, nicht wahr?«, sagte ihr Gastgeber. »Sie sollen eine höhere Wahrheit vermitteln, doch oft genug verschleiern sie diese nur noch mehr.« Er klopfte mit seinen langen dünnen Fingern auf den Ledereinband. »In dem Buch Salomons heißt es auch, dass Asmodeus es verabscheut, in der Nähe von Wasser zu sein.«
    Léonie setzte sich aufrechter hin. »Vielleicht hat man ihm deshalb das Weihwasserbecken auf die Schultern gesetzt. Könnte das sein, Monsieur Baillard?«
    »Möglich«, pflichtete er bei. »Asmodeus taucht auch noch in anderen Werken mit religiösen Erläuterungen auf. Im Talmud beispielsweise entspricht er Aschmodai, einer weit weniger bösartigen Gestalt als der Asmodeus im Buch Tobit, obwohl er Salomons Frauen und Bathseba begehrt. Später dann, in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, taucht Asmodai als Dämon der Fleischeslust im
Malleus Maleficarum
auf, dem Hexenhammer, einem, wie ich finde, grob vereinfachenden Katalog der Dämonen und ihrer bösen Werke. Ihrem Bruder könnte dieses Buch als Sammler durchaus bekannt sein.«
    Léonie zuckte die Achseln. »Durchaus möglich, ja.«
    »Es gibt auch einige, die glauben, verschiedene Teufel entwickeln zu verschiedenen Jahreszeiten unterschiedliche Kräfte.«
    »Und wann soll Asmodeus am mächtigsten

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