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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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gingen, so schrieb Constant sie der üblichen Jammerei über die Angriffslust der Bergkatzen oder Wölfe zu, die sich auf den höhergelegenen Weiden und Gipfeln ihre Beute suchten.
    Jetzt, nach Bouchous Pensionierung, war es an der Zeit, zu handeln. Er hatte schon zu lange gewartet, und deshalb hatte er seine Chance verspielt, Isolde angemessen zu bestrafen. Außerdem ging es mit ihm zu Ende, trotz der zahllosen Arzneien und Behandlungen, trotz Quecksilber, Wasserkur und Laudanum. Constant wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, bis auch sein Gehirn befallen werden würde. Er erkannte die Anzeichen, konnte sich inzwischen ebenso gut diagnostizieren wie all diese Quacksalber. Das Einzige, was er jetzt noch fürchtete, war das kurze letzte Aufflammen der Klarsicht, ehe die Schatten sich endgültig über ihn herabsenkten.
    Constant hatte vor, Anfang September die Grenze zu überqueren und nach Rennes-les-Bains zurückzukehren. Vernier war tot. Isolde war tot. Aber da war immer noch der Junge.
    Aus seiner Westentasche zog er die Uhr, die er Vernier vor fast sechs Jahren in der Passage des Panoramas hatte abnehmen lassen. Während die spanischen Schatten länger wurden, drehte und wendete er sie in seinen syphilitischen Händen und dachte an Isolde.

Kapitel 92
    ∞
    A m 20 . September, dem Jahrestag des Mordes an Marguerite Vernier, wurde wieder ein Kind vermisst. Das erste seit über einem Monat. Das Mädchen war zuletzt flussabwärts von Sougraigne am Ufer gesehen worden, gefunden wurde es dann unweit der Fontaine des Amoureux, das Gesicht grässlich von Klauen entstellt, klaffende rote Rissspuren in Wangen und Stirn. Anders als die vergessenen Kinder, die Mittellosen, war die Kleine das geliebte Kind einer Großfamilie mit Verwandten in vielen Dörfern entlang der Aude und der Sals.
    Zwei Tage später verschwanden zwei Jungen aus dem Wald am Lac de Barrenc, dem Bergsee, in dem angeblich der Teufel hauste. Ihre Leichname wurden eine Woche später entdeckt, doch da sie schon stark verwest waren, konnte erst bei einer genaueren Untersuchung festgestellt werden, dass auch sie von irgendeinem Tier angefallen und zerfetzt worden waren.
    Léonie versuchte, nicht auf die Übereinstimmung der Daten zu achten. Obwohl kaum Hoffnung bestand, die Kinder unversehrt wiederzufinden, bot sie an, sämtliche Bediensteten der Domaine de la Cade für die Suche zur Verfügung zu stellen. Die Hilfe wurde abgelehnt. Louis-Anatole zuliebe blieb sie äußerlich ruhig, doch allmählich fand sie sich mit dem Gedanken ab, dass sie die Domaine de la Cade würden verlassen müssen, bis der Sturm sich gelegt hatte.
    Maître Fromilhague und Madame Bousquet beteuerten, all diese Vorfälle seien doch ganz offensichtlich das Werk wilder Hunde oder Wölfe, die aus den Bergen herabgekommen waren. Solange es hell war, konnte auch Léonie die Gerüchte von einem Dämon oder einem übernatürlichen Wesen aus ihren Gedanken verdrängen. Doch sobald es dämmerte, dachte sie voller Unruhe an die Geschichte der Grabkapelle und an die Tarotkarten, die in der Erde der Domaine de la Cade ruhten.
    Die Stimmung in der Stadt wurde zunehmend bedrohlich und richtete sich immer stärker gegen sie. Die Domaine wurde Ziel mutwilliger Zerstörungen.
    Als Léonie eines Nachmittags von einem Spaziergang im Wald zurückkehrte, sah sie einige Dienstboten vor der Tür zu einem der Nebengebäude stehen.
    Neugierig beschleunigte sie ihren Schritt.
    »Was ist denn?«, fragte sie.
    Pascal wirbelte herum, Entsetzen in den Augen, und versperrte ihr mit seiner breiten, wuchtigen Gestalt die Sicht.
    »Nichts, Madama.«
    Léonie schaute in sein Gesicht, sah dann den Gärtner und seinen Sohn Emile an. Sie trat einen Schritt näher.
    »Pascal?«
    »Bitte, Madama, das ist kein Anblick für Sie.«
    Léonie sah ihn durchdringend an. »Unsinn«, sagte sie leichthin. »Ich bin kein Kind mehr. Was auch immer du da versteckst, so schlimm kann es doch wohl nicht sein.«
    Noch immer rührte Pascal sich nicht vom Fleck. Hin- und hergerissen zwischen Neugier und Gereiztheit ob seiner übertriebenen Fürsorge, berührte Léonie ihn mit ihren behandschuhten Fingern am Arm.
    »Wenn ich bitten darf.«
    Alle Augen ruhten auf Pascal, der noch einen Moment standhaft blieb und dann langsam beiseitetrat, damit Léonie sehen konnte, was er unbedingt vor ihr verbergen wollte.
    Der gehäutete und mehrere Tage alte Kadaver eines Kaninchens war mit einem dicken Nagel an der Tür aufgespießt worden. Ein

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