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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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da?«
    »Weil wir nicht wollen, dass uns irgendwer sieht oder hört«, sagte sie rasch. »Und dann fahren wir, ohne dass uns jemand bemerkt, zu Monsieur Baillards Haus in den Bergen.«
    »Ist das weit?«
    »Ja.«
    Der Junge schwieg einen Moment. »Wann kommen wir denn wieder?«, fragte er.
    Léonie biss sich auf die Lippen. »Stell dir vor, wir würden
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spielen. Bloß ein Spiel.« Sie legte die Finger an die Lippen. »Aber jetzt müssen wir uns sputen, Louis-Anatole. Und leise sein, ganz, ganz leise.«
    »Und ganz tapfer.«
    Léonies Finger schlossen sich um die Tarotkarten in ihrer Tasche. »O ja«, murmelte sie. »Und tapfer.«

Kapitel 95
    ∞
    M ettez le feu!«
    Auf Constants Befehl stieß der Mob unten am See Fackeln in die Buchsbaumhecke. Es dauerte nicht lange, und die Hecke fing Feuer, zuerst das Laub, dann die Äste, krachend und funkensprühend wie das Feuerwerk auf den Mauern von La Cité. Die Flammen leckten und loderten und fraßen sich fest.
    Dann ertönte die kalte Stimme erneut.
»A l’attaque!«
    Die Männer stürmten über den Rasen, um das Wasser herum, zertrampelten die Beete. Sie sprangen die Stufen zur Terrasse hinauf, stießen die Ziertöpfe um.
    Constant hinkte in einigem Abstand hinterdrein, eine Zigarette in der Hand und schwer auf seinen Stock gestützt, als folge er einer Parade auf den Champs-Élysées.
    Um vier Uhr am Nachmittag – als er sicher sein konnte, dass Léonie Vernier bereits auf dem Weg nach Coustaussa war – hatte Constant noch ein weiteres grausam getötetes Kind nach Hause bringen lassen, um die Eltern zu quälen. Sein Diener hatte die entstellte Leiche auf einem Ochsenkarren zum Place du Pérou gefahren, wo er schon auf ihn wartete. Es hatte nur wenig Anstrengung gekostet, selbst mit seinen ausgezehrten Kräften, die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zu ziehen. Derart grässliche Verletzungen konnten nicht von einem Tier stammen, sondern nur von etwas Unnatürlichem. Von einem Wesen, das auf der Domaine de la Cade versteckt wurde. Einem Teufel, einem Dämon.
    Zur selben Zeit war ein Stallbursche von der Domaine in Rennes-les-Bains gewesen. Die noch kleine Menschenmenge hatte sich den Jungen vorgeknöpft und von ihm wissen wollen, wie das Wesen gebändigt und wo es gehalten werde. Der Arme konnte zwar durch nichts dazu gebracht werden, diese absurden Zaubergeschichten zu bestätigen, doch das stachelte die Menge nur noch mehr an.
    Von Constant selbst war dann der Vorschlag gekommen, sie sollten das Haus anzünden, um der Sache auf den Grund zu gehen. Fast augenblicklich hatte der Gedanke um sich gegriffen und war zu ihrem eigenen geworden. Und nur wenig später ließ Constant sich von ihnen überreden, den Angriff auf die Domaine de la Cade anzuführen.
    Constant blieb unten an der Terrasse stehen, von dem Fußmarsch erschöpft. Er sah zu, wie sich der Mob verteilte und zur Seite hin und weiter nach vorne stürmte. Sie liefen die steinerne Terrassentreppe hinauf.
    Die gestreifte Markise, die sich über die gesamte Länge der Terrasse erstreckte, ging als Erstes in Flammen auf, nachdem ein Junge am Efeu hochgeklettert war und seine brennende Fackel an einem Ende in die Falten des Stoffes gerammt hatte. Obgleich das Material feucht von der Oktoberluft war, entzündete es sich binnen Sekunden, und die Fackel fiel durch das Brandloch auf die Terrasse. Der Geruch von Öl und Segeltuch und Feuer erfüllte die Nachtluft in einer erstickenden schwarzen Rauchwolke.
    Irgendwer schrie über das Chaos hinweg:
»Les diaboliques!«
    Der Anblick der Flammen schien den Zorn der Dörfler noch weiter zu entfachen. Das erste Fenster wurde eingetreten, Glas zersplitterte unter der Stahlkappe eines Stiefels. Eine Scherbe blieb in der dicken Winterhose des Mannes stecken, und er trat sie weg. Weitere Fenster folgten. Ein kostbarer Raum nach dem anderen wurde zur Beute der tobenden Menschen, die ihre Fackeln ins Innere warfen, um die Vorhänge anzuzünden.
    Drei andere hoben eine große Steinurne hoch und setzten sie an der Tür als Rammbock ein. Metall verbog sich, und Glas zerbarst, als der Rahmen nachgab. Das Trio ließ die Urne fallen, und der Mob strömte in die Halle und die Bibliothek. Mit öl- und teergetränkten Lumpen setzten sie die Mahagoniregale in Brand. Ein Buch nach dem anderen ging in Flammen auf, das trockene Papier und die alten Ledereinbände brannten lichterloh. Knisternd und züngelnd hüpften die Flammen von einem Regal zum nächsten.
    Die Eindringlinge

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