Die achte Karte
Ich hoffe, das ist in Ordnung.«
Die Frau lächelte. »Kein Problem.«
»Sind Sie Engländerin?«
Wieder lächelte die Frau. »Erwischt. Ich hoffe, Sie haben nicht lange gewartet?«
Meredith schüttelte den Kopf. »Nur ein paar Minuten.«
Die Frau streckte ihr die Hand entgegen. »Ich heiße Laura.«
Ein kurzer Händedruck. »Meredith.«
Laura zog einen Stuhl hervor und deutete darauf. »Nehmen Sie Platz.«
Meredith zögerte.
»Es ist ganz normal, nervös zu sein«, sagte Laura. »Das geht den meisten so beim ersten Mal.«
Meredith zog die Broschüre aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.
»Das ist es nicht, aber – gestern hat mir ein Mädchen auf der Straße dieses Faltblatt mitgegeben, und da ich gerade hier vorbeigekommen bin …« Sie beendete den Satz nicht. »Es geht eigentlich eher um eine wissenschaftliche Recherche. Ich möchte Ihre Zeit nicht überstrapazieren.«
Laura nahm die Broschüre, und ein Ausdruck des Wiedererkennens glitt über ihr Gesicht. »Meine Tochter hat von Ihnen gesprochen.«
Merediths Augen verengten sich. »Ach ja?«
»Von der Ähnlichkeit«, sagte Laura, den Blick nach unten auf die Figur von La Justice gerichtet. »Sie meinte, sie wären ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Sie stockte, als erwartete sie eine Erwiderung. Als Meredith jedoch schwieg, setzte Laura sich an den Tisch. »Leben Sie in Paris?«, fragte sie und deutete auf den Stuhl gegenüber.
»Bin nur auf Besuch.«
Ohne es richtig zu wollen, nahm Meredith doch Platz.
Laura lächelte. »Hatte ich recht damit, dass Sie sich noch nie die Karten haben legen lassen?«
»Ja«, erwiderte Meredith, die noch ganz vorne auf der Stuhlkante saß.
Eindeutige Botschaft – ich habe nicht vor, länger zu bleiben.
»Gut«, sagte Laura. »Wenn Sie das Faltblatt gelesen haben, wissen Sie, dass eine halbstündige Sitzung dreißig Euro kostet, eine ganze Stunde fünfzig.«
»Eine halbe Stunde wird reichen«, sagte Meredith.
Auf einmal war ihr Mund trocken. Laura sah sie an, sah sie
richtig
an, als versuchte sie, jede Linie, jede Nuance, jeden Schatten ihres Gesichts zu lesen.
»Ganz wie Sie möchten, aber da ich nach Ihnen niemanden habe, können wir auch gern länger machen, falls Sie Ihre Meinung ändern. Gibt es ein bestimmtes Thema, das Sie erkunden möchten, oder sind Sie ganz allgemein interessiert?«
»Wie gesagt, es handelt sich um eine Recherche. Ich arbeite an einer Biographie. Auf dieser Straße, und zwar genau hier, war früher ein berühmter Buchladen, der häufig erwähnt wird. Dieser Zufall hat mich fasziniert, könnte man sagen.« Sie lächelte, versuchte, sich zu entspannen. »Obwohl Ihre – Ihre Tochter, nicht wahr?« – Laura nickte – »ja gesagt hat, so etwas wie Zufall gibt es nicht.«
Laura lächelte. »Ich verstehe. Sie hoffen, eine Art Echo der Vergangenheit zu finden.«
»Genau«, sagte Meredith mit einem erleichterten Seufzer.
Laura nickte. »Okay. Manche Kunden bevorzugen eine gewisse Art von Deutung. Sie möchten ein bestimmtes Thema erkunden – das kann mit ihrer Arbeit zusammenhängen, einer Beziehung, einer wichtigen anstehenden Entscheidung, alles Mögliche. Anderen geht es eher ums Allgemeine.«
»Allgemein ist gut.«
Laura lächelte. »Gut. Als Nächstes kommt die Frage, welches Tarotdeck Sie verwenden möchten.
Meredith schaute fast zerknirscht. »Es tut mir leid, aber ich habe wirklich überhaupt keine Ahnung. Suchen Sie doch eins für mich aus.«
Laura zeigte auf eine Reihe von verschiedenen Tarotdecks, die alle mit den Bildseiten nach unten auf einer Seite des Tisches lagen. »Ich weiß, es ist am Anfang verwirrend, aber es ist besser, wenn Sie die Wahl treffen. Schauen Sie doch einfach, ob Ihnen eins besonders zusagt, okay?«
Meredith zuckte die Achseln. »Gern.«
Laura nahm das Päckchen, das ihr am nächsten lag, und fächerte die Karten auf dem Tisch aus. Sie hatten königsblaue Rückseiten mit goldenen, langschweifigen Sternen darauf.
»Die sind schön«, sagte Meredith.
»Das ist das Universelle Waite-Tarot, ein sehr verbreitetes Deck.«
Der nächste Kartensatz hatte ein schlichtes, rotes und weißes, sich wiederholendes Muster auf der Rückseite. »Das hier ist in vielerlei Hinsicht das klassische Deck schlechthin«, erklärte Laura. »Es nennt sich Marseille-Tarot und stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert. Ich benutze es gelegentlich, obwohl es offen gestanden für den zeitgenössischen Geschmack ein wenig zu schlicht ist. Die meisten
Weitere Kostenlose Bücher