Die achte Offenbarung
hatte?
Er versuchte es, indem er die Abstände zwischen den Zahlen betrachtete: +2, –2, +2, –1, 0, +1. Er konnte die Folge fortsetzen, indem er die Zahlenreihe mit denselben Abständen weiterführte. 8 + 2 war 10, –2 wieder 8, dann folgte 10, 9, 9, 10, 12, 10, 12, 11, 11, 12, 14 usw. Nun musste er nur noch die sich so ergebenden Ziffern jeweils zu zweit gruppieren. Er erhielt 68, 68, 77, 81, 08, 10, 99, 10 … Diese Ziffern musste er nun noch in Buchstaben verwandeln, indem er sie durch die Länge des verwendetenAlphabets – 25 – teilte und den sich ergebenden Rest als Position innerhalb des Alphabets verwendete. 68 geteilt durch 25 war 2 Rest 18, der erste Buchstabe des Schlüsselcodes wäre demnach ein R.
Doch die Buchstaben, die er auf diese Weise als Schlüssel erhielt, führten nicht zu einem lesbaren Text. So einfach war es also nicht.
Paulus gab nicht auf. Er versuchte es mit der umgekehrten Reihenfolge der Ziffern, stellte jedoch fest, dass dann die Zahlenfolge absteigend statt aufsteigend war und rasch negativ wurde. Er versuchte es trotzdem, indem er das Vorzeichen einfach ignorierte, erhielt jedoch kein brauchbares Resultat.
Er fügte verschiedene Kombinationen der Ziffern der Umrandung hinzu, doch auch das brachte ihn nicht weiter. Schließlich begriff er, dass die Lösung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht allein in der Anzahl der Steinquader in dem Quadrat unterhalb des Altars lag.
Als er die Liste der Hinweise noch einmal durchging, fiel ihm auf, dass er zwei Dinge noch nicht berücksichtigt hatte: Die Zahlen, mit denen er bisher herumexperimentiert hatte, hatten noch nichts mit dem Napf des Bischofs zu tun. Und was »im Maße Roms« bedeuten sollte, war ihm ebenfalls noch völlig unklar. Musste er vielleicht irgendwie das Maß des Napfes in die Reihe einrechnen? Das würde bedeuten, dass sie noch einmal nach Speyer zurückkehren mussten, um den Napf zu vermessen, und zwar in den »Maßen Roms« – was nur logisch erschien, da Zentimeter im Mittelalter noch nicht bekannt gewesen waren.
Die Römer hatten als äußerst exakt planende Baumeister ihre Maße sehr präzise definiert. Basis war der römische Fuß, der knapp 30 Zentimeter gemessen hatte. Ein »Passus« – Doppelschritt – entsprach 5 Fuß; ein »Millepassus« – tausend Schritte – war 5000 Fuß oder etwa 1,5 Kilometer lang und bildete die Basis für die heute immer noch gebräuchliche Meile. Paulus kannte diese Maße, weil sie auch innerhalb der Hanse verwendet worden waren – neben unzähligen weiteren, oft regional unterschiedlich genormten Maßen.
Ihm fiel etwas ein, das er gestern gelesen, aber zunächst für unwichtig gehalten hatte. Er holte die Broschüre hervor, die sie in dem Café gefunden hatten. Darin stand, dass der Domnapf von jedem neu geweihten Bischof mit Wein gefüllt worden war – und dass der Napf 1580 Liter fasste. Das gebräuchliche römische Maß für Flüssigkeiten waren Congius – eine Kanne, etwa 3,2 Liter – und Sextarius, im Mittelalter auch Sester genannt – eine Sechstelkanne, etwas mehr als ein halber Liter.
Ermutigt von diesen Erkenntnissen, begann Paulus, verschiedene Rechenoperationen auszuführen. Er multiplizierte das Napfvolumen in Sester und Kannen mit den Ziffern, die er bisher erhalten hatte, und berechnete aus den so entstehenden Ziffernreihen neue Schlüsselcodes. Doch was er auch versuchte, es ergab sich kein sinnvoller Text.
Allmählich wurde ihm klar, dass die Zahl der möglichen mathematischen Kombinationen, die sich aus den Hinweisen ergaben, sehr groß war. Entweder waren die Hinweise nicht besonders präzise, oder er hatte sie noch nicht richtig verstanden. Vielleicht brauchte er nicht das Volumen des Napfes, sondern Durchmesser oder Umfang? Etwas regte sich in seinem Hinterkopf bei diesem Gedanken, doch er kam nicht darauf, was es war.
Er überlegte, ob er aus dem bekannten Volumen des Napfes dessen Durchmesser erschließen konnte. Das war jedoch nur möglich, wenn der Napf exakt die Form einerHohlkugel hatte. Dies erschien Paulus nach seiner Erinnerung nicht der Fall zu sein – der Napf war dafür deutlich zu flach gewesen.
Während er noch darüber grübelte, klopfte es leise an der Tür. Er sprang auf und öffnete.
»Sorry, wenn ich dich geweckt habe«, sagte Mele.
»Guten Morgen«, erwiderte er. »Keine Sorge, ich bin schon eine Weile wach. Lass uns frühstücken gehen.«
Bei Müsli und Brötchen mit Rührei und Speck erzählte er ihr, was er bisher
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