Die Achtsamkeits-Revolution
die Atmung, aber beeinflussen Sie sie nicht in irgendeiner Weise willentlich. Geben Sie noch nicht einmal einer bestimmten Art von Atmung den Vorzug und nehmen Sie auch nicht an, dass das rhythmische Atmen besser sei als das unregelmäßige Atmen. Lassen Sie den Körper so atmen, als ob Sie tief und fest schliefen, dabei aber achtsam und wach sind.
Es bleibt nicht aus, dass unwillkürlich Gedanken aufsteigen und Ihre Achtsamkeit vielleicht auch durch Geräusche und andere Reize aus der äußeren Umgebung abgezogen wird. Sollten Sie merken, dass Sie sich haben ablenken lassen, verspannen Sie sich nicht, richten Sie die Achtsamkeit nicht in krampfhafter Manier erneut auf die Atmung, sondern lassen Sie die Gedanken und Ablenkungen einfach nur los. Entspannen Sie den Körper ganz besonders beim Ausatmen, lösen Sie sich von äußeren Gedanken, lassen Sie das achtsame Gewahrsein sich wieder im Körper ausbreiten. Regen Sie sich nicht auf, wenn Sie merken, dass Ihr Geist auf Wanderschaft gegangen ist. Seien Sie einfach nur froh darüber, dass Sie die Ablenkung bemerkt haben, und kehren Sie sacht zur Atmung zurück. Begegnen Sie der Aufgeregtheit und Unruhe des Geistes immer und immer wieder dadurch, dass Sie sich noch tiefer entspannen, und nicht durch eine Verengung von Körper und Geist. Wenn sich in den Schultern, im Gesicht oder in den Augen Verspannun- gen aufbauen, lösen Sie sie. Geben Sie mit jedem Ausatmen Ihre unwillkürlichen Gedanken frei, so als wären sie vertrocknete Blätter, die von einer sanften Brise davongeweht werden. Entspannen Sie sich tief während des ganzen Ausatmungsvorgangs und entspannen Sie sich weiter, während der nächste Atemzug einfach und mühelos einfließt, als wäre es die Gezeitenflut. Atmen Sie so gelöst, dass Sie das Gefühl haben, Ihr Körper würden von Ihrer Umgebung ein- und ausgeatmet.
Üben Sie weiter, bis Sie eine Sitzung von vierundzwanzig Minuten vollendet haben, tauchen Sie dann ganz bedacht aus der Meditation auf und wenden Sie sich wieder Ihrer Umwelt zu.
BETRACHTUNGEN ZUR PRAXIS
Die obige Meditationsanleitung zur Achtsamkeit auf die Atmung gründet sich auf die vorrangige Lehrrede Buddhas zu diesem Thema. Hier ein Auszug aus der Erläuterung des Buddha:
Atmet er tief ein, so weiß er »ich atme tief ein«; atmet er tief aus, so weiß er »ich atme tief aus«. Atmet er kurz ein, so weiß er »ich atme kurz ein«; atmet er kurz aus, so weiß er »ich atme kurz aus«. »Den ganzen Körper empfindend will ich einatmen«; »den ganzen Körper empfindend will ich ausatmen«, so übt er sich. »Diese Körperfunktion besänftigend will ich einatmen«, »diese Körperfunktion besänftigend will ich ausatmen«, so übt er sich. 4
Wie bereits gesagt, sollen Sie nicht versuchen, die Atmung in ir gendeiner Weise zu regulieren; Sie nehmen ganz einfach die Dauer eines jeden Einatmungs- und Ausatmungsvorgangs zur Kenntnis.
Die meisten Theravada-Kommentare zu dieser Lehrrede interpretieren die Redewendung »Den ganzen Körper empfindend« dahingehend, dass sich dies auf den gesamten Vorgang eines Atemzugs bezieht, also vom Ansetzen des Atemzugs zum Einatmen bis hin zum Ende der Ausatmung. Sicher ist das das Ziel dieser Praxis, aber es hat auch seinen Wert, wenn man zudem auch die von der Atmung im ganzen Körper ausgelösten Empfindungen beobachtet.
Um die Achtsamkeit zu trainieren, wenden wir uns hier einem ganzen »Feld« zu. Wir lenken sie nicht zielgenau auf ein geistiges Bild, ein Gebet, ein Mantra oder einen ganz speziellen Körperbereich, sondern öffnen unser Gewahrsein für das Gesamtfeld der Körperempfindungen und insbesondere für die, die mit der Atmung in Zusammenhang stehen. Der Schwerpunkt liegt hier auf der mentalen und physischen Entspannung. Wenn Sie Geist und Körper zusammenziehen und verengen, wird das Shamatha-Trai- ning die schon in Ihnen vorhandenen Spannungen noch verstärken. Wenn Sie Ihr Gewahrsein überall im Körper ruhig ausbreiten, lockern Sie die Knoten in Körper und Geist. Verengungen und Verspannungen lösen sich von allein, und das beruhigt das Kommunikationsnetz des Körpers.
Achtsamkeit auf die Atmung wird allgemein vor allem jenen angeraten, die zu zwanghaftem Denken neigen. Wie Asanga, ein buddhistischer Meister des fünften Jahrhunderts, schreibt: »Wird dein Verhalten vor allem von ungewollten Gedanken beherrscht, dann richte den Geist in Achtsamkeit auf das Ausatmen und Einatmen.« 5 Und da es fast jedermann in unserer
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