Die Achtsamkeits-Revolution
haben all diese Tendenz, nicht nur Geisteskranke, und wenn wir solche falschen Überlagerungen vornehmen, schafft das Probleme. Unsere Erfahrung von der Realität stimmt nicht mehr mit dem tatsächlichen Geschehen in unserem Umfeld überein, und wenn wir uns so verhalten, als ob unsere auf einer Kognitionsstörung basierenden Wahrnehmungen Gültigkeit besäßen, führt das zum Zusammenprall mit der Realität. Das ist eine Quelle unnötigen Leidens.
Beide Arten von Kognitionsstörungen können behoben werden, indem wir die in der Meditation kultivierte Aufmerksam- keits- und Achtsamkeitsfähigkeit im Alltagsleben anwenden. Tatsache ist, dass wenn wir untertags lässig zulassen, dass sich unser Geist der Erregung und Laschheit unterwirft, wird sich unser formales Training in den vierundzwanzigminütigen Sitzungen wohl kaum groß auswirken. Das wäre so, wie wenn wir ein gesundes Frühstück zu uns nähmen und uns den Rest des Tages von ungesundem Essen ernährten.
Wie beschäftigt wir auch immer sein mögen oder es zu sein glauben, niemand zahlt uns so viel, dass er jeden Augenblick des Tages Anforderungen an unseren Geist stellen darf. Wir können uns auch mitten in der Arbeit mal hier 15 und mal dort 60 Sekunden Auszeit nehmen, um uns still auf die Atmung zu konzentrieren und in unserer Achtsamkeit auszubalancieren. Es ist möglich, ein paar Minuten mit offenen Augen still dazusitzen, ohne dass wir die Aufmerksamkeit anderer auf uns ziehen. Das können wir am Arbeitsplatz, in der Schlange vor der Kasse im Supermarkt oder vor der auf Rot geschalteten Ampel machen. Zwischen dem morgendlichen Aufstehen und dem abendlichen Zubettgehen ergeben sich viele kleine Gelegenheiten, die uns unseren Tag mit ein bisschen Achtsamkeit auf die Atmung »würzen« lassen. Und jedes Mal fühlen wir vielleicht sofort die beruhigende Auswirkung auf Körper und Geist. So können wir nach und nach die in der Meditation kultivierte Qualität des Gewahrseins und Gegenwärtigseins in das Bewusstsein integrieren, das wir tagsüber in unsere weltlichen Aktivitäten einbringen.
Die Qualität bloßer Achtsamkeit, die wir kultivieren, wenn wir auf die mit der Atmung verbundenen Körperempfindungen achten, lässt sich auch auf andere Empfindungen anwenden. Wenn Sie sich das nächste Mal zu einer Mahlzeit niederlassen, versuchen Sie es mit folgendem Experiment: Richten Sie die bloße Achtsamkeit auf jeden Ihrer fünf Sinne, so wie sie im Zusammenhang mit der vor Ihnen stehenden Mahlzeit angesprochen werden. Lassen Sie mit so wenig gedanklicher Überlagerung wie möglich den Gesichts-, Geruchs-, Geschmacks-, Hör- und Tastsinn jeweils für sich die Nahrung über die bloße Achtsamkeit wahrnehmen.
Richten Sie die Achtsamkeit zunächst auf das visuelle Erscheinungsbild des Essens - einfach auf seine Farben und Formen. Befreien Sie sich von jeglichen gedanklichen Assoziationen, die Ihnen im Zusammenhang mit diesen visuellen Eindrücken kommen mögen. Machen Sie sich von Vorlieben oder Urteilen über das Essen frei. Ihre Vorlieben und Abneigungen befinden sich weder in der Nahrung selbst noch in deren Farben und Formen. Seien Sie einfach der Formen und Farben gewahr, konzentrieren Sie sich auf sie mit bloßer Achtsamkeit.
Schließen Sie jetzt ein paar Momente die Augen und konzentrieren Sie sich auf die Gerüche der Mahlzeit. Seien Sie nur für diese Düfte vollkommen gegenwärtig. Nehmen Sie wahr, wie sich diese von Moment zu Moment ändern. Erkennen Sie diese Aromanuancen mit unterscheidender Achtsamkeit, ohne aber Ihre unmittelbaren Wahrnehmungen mit Etikettierungen und Begriffen, Vorlieben und Abneigungen zu vermengen. Nehmen Sie nun, immer noch mit geschlossenen Augen, einen Happen zu sich und richten Sie die bloße Achtsamkeit auf die sich in Ihrem Mund entfaltenden Geschmäcker. Essen Sie langsam und achten Sie genau darauf, wie sie sich verändern. Richten Sie beim Kauen Ihre Auf merksamkeit auf die Essgeräusche. Auch sie verändern sich von Moment zu Moment, reiten Sie also auf dem Kamm der Gegenwartswoge, klammern Sie sich an nichts aus der Vergangenheit, erwarten Sie nichts für die Zukunft. Richten Sie schließlich die bloße Achtsamkeit auf die mit dem Essen verbundenen taktilen Sinnes Wahrnehmungen - die Wärme oder Kälte der Mahlzeit, Festigkeit oder Flüssigkeit, Glätte oder Rauheit. Lösen Sie sich von allen mentalen Bildern, wie das Essen Ihrer Vorstellung nach aussieht, konzentrieren Sie sich ausschließlich auf die
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