Die Achtsamkeits-Revolution
erlangt wird und dass die gesteigerte Klarheit nicht mit einer Minderung der Stabilität einhergeht. Die Beziehung zwischen diesen drei Qualitäten lässt sich mit der Beziehung zwischen Wurzeln, Stamm und Blattwerk eines Baumes vergleichen. In dem Maße, wie sich Ihre Praxis weiterentwickelt, reichen die Wurzeln der Entspannung tiefer, wird der Stamm der Stabilität stärker und reicht das Blattwerk der wachen, geschärften Klarheit höher. Legen Sie bei dieser Praxissitzung die Betonung auf geschärfte Klarheit. Das bewerkstelligen Sie dadurch, dass Sie den Brennpunkt der Achtsamkeit nach oben verlagern und auf ein subtileres Objekt richten. Lenken Sie die Achtsamkeit auf die mit der Atmung verbundenen taktilen Sinneswahrnehmungen im Bereich der Nasenlöcher oder direkt über den Lippen, eben dort, wo Sie das Ein- und Ausströmen des Atems fühlen können. Die Verlagerung des Achtsamkeitsfokus nach oben hilft, dass geschärfte Klarheit entsteht, und diese wird durch die Konzentration auf einen subtilen Gegenstand noch weiter gefördert. Beobachten Sie diese Sinneswahrnehmungen an den Eingangstoren der Atmung auch zwischen den einzelnen Atemzügen. Es gibt da einen fortwährenden Fluss taktiler Empfindungen im Bereich der Nasenlöcher und Oberlippe, halten Sie also Ihre Achtsamkeit so stetig wie möglich aufrecht. Wenn der Atemstrom so fein wird, dass Sie die damit einhergehenden Empfindungen nicht mehr wahrnehmen können, beruhigen Sie Ihren Geist und beobachten Sie genauer. Wenn Sie Schärfe und Klarheit der Achtsamkeit steigern, werden die mit der Atmung verbundenen Empfindungen wieder wahrnehmbar werden.
Vielleicht werden Sie am Rande des Gewahrseins weiterhin auch andere Körperempfindungen sowie Geräusche und anderes wahrnehmen. Lassen Sie sie einfach präsent sein, versuchen Sie nicht, sie auszublenden, und konzentrieren Sie die Achtsamkeit eingerichtet auf die Empfindungen im Bereich der Nasenlöcher. Zählen Sie die Atemzüge, wenn Sie das hilfreich finden. Rufen Sie Ihre Fähigkeit zur Selbstbeobachtung wach, damit Sie rasch merken, ob sich Erregung oder Laschheit eingestellt haben, und unternehmen Sie in diesem Fall die nötigen Schritte, um die Achtsamkeit wieder auszubalancieren. Praktizieren Sie in dieser Weise vierundzwanzig Minuten lang und beenden Sie dann die Sitzung.
BETRACHTUNGEN ZUR PRAXIS
Für die Beschreibung der Praxis der Achtsamkeit auf die Atmung bediente sich der Buddha einer Analogie: Wie wenn im letzten Monat der heißen Jahreszeit eine Menge Staub und Dreck aufgewirbelt ist und eine in dieser Jahreszeit unerwartet große Regenwolke alles reinigt und klärt, so ist die entfaltete und gepflegte Sammlung der Achtsamkeit auf die Ein- und Ausatmung, friedvoll und erhaben, ein glückseliger Verweilzustand und reinigt und klärt auf der Stelle alle unheilsamen Zustände, wann immer sie entstehen. 19
Dieser Vergleich deutet auf die heilende Wirkung der ausgewogenen Achtsamkeit. Wenn wir das Gewahrsein auf einem neutralen Objekt ruhen lassen, verflüchtigt sich sofort jeder besorgniserregende Gedanke und der Geist wird friedlich, erhoben und glücklich. Diese Qualitäten gehen nicht aus dem Gewahrseinsobjekt - dem Atem - hervor, sondern aus der Natur des sich im Zustand der Ausgewogenheit befindlichen Geistes. Diese Herangehensweise an die Heilung des Geistes ist dem Heilen des physischen Körpers vergleichbar. Der Buddha gab bei seiner Analogie mit der Regenwolke implizit zu verstehen, dass der Geist, wie der Körper, über inhärente Selbstheilungskräfte verfügt. Wenn wir uns mit anhaltender klarer Achtsamkeit, ohne Begierde und ohne Abneigung, einem neutralen Objekt zuwenden, befähigen wir den Geist, mit seiner Selbstheilung zu beginnen.
Da auf der dritten Stufe der Achtsamkeitsentwicklung die grobe Erregung noch immer das vorherrschende Problem ist, finden Sie es vielleicht hilfreich, weiterhin die Atemzüge zu zählen. Einige Theravada- Lehrer bieten, dem Gelehrten des fünften Jahrhunderts Buddhaghosa folgend, zwei Methoden für ein "beschleunig tes Zählen« an. Bei der ersten dieser beiden Techniken zählen Sie mit jedem vollen Atemzug von eins bis zehn. Für die zweite Technik lautet die Anweisung wie folgt: »... jedes Mal den zur Nasenöffnung gelangten Atem fassend, zähle er ganz schnell: >eins, zwei, drei, vier, fünfc >eins, zwei, drei, vier, fünf, sechsc >eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, siebeno ... acht<; ... neun<; ... zehn<. Ist nämlich diese Übung
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