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Die Achtsamkeits-Revolution

Die Achtsamkeits-Revolution

Titel: Die Achtsamkeits-Revolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Wallace
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unfreiwillige Gedanken wie ein gemächlich durchs
Tal fließender Fluss auf, gleicht der Geist jetzt einem stillen, von
keiner Welle bewegten Ozean.
    Wenn Sie mit diesem Den-Geist-in-seinem-natürlichen-Zu-
stand-zur-Ruhe-Bringen weitermachen wollen, kann es Sie bis
    zum Erlangen von Shamatha bringen. Ich werde Ihnen aber hier noch eine andere Praxismethode vorstellen, die Sie vielleicht noch effektiver finden werden, um die Achtsamkeit vollendet auszubalancieren zu können. Padmasambhava nennt diese Technik Kultivieren von Shamatha ohne ein Zeichen. Der Begriff Zeichen meint in diesem Kontext jedwedes Achtsamkeitsobjekt, das sich innerhalb eines begrifflichen Bezugsrahmens identifizieren lässt. Die mit dem Atem verbundenen taktilen Sinneswahrnehmungen sind ein Zeichen. Und auch der weite offene Raum des Geistes und die darin entstehenden mentalen Ereignisse sind ein Zeichen. Bei diesen beiden Praxismethoden ist die Achtsamkeit nicht auf sich selbst, sondern auf ein anderes Objekt gerichtet. Ihre Stabilität, Wachheit, Schärfe und Klarheit wird kultiviert, indem man sich auf dieses Objekt bezieht.
    Bei der Praxis von Shamatha ohne ein Zeichen ist die Achtsamkeit auf gar nichts gerichtet. Sie ruht in ihrer eigenen Natur und ist einfach ihrer eigenen Präsenz gewahr. Theoretisch könnte man sagen, dass das Gewahrsein sich selbst zum Objekt nimmt. Auf der Erfahrungsebene aber geht es hier mehr darum, dass es sich nichts zum Objekt nimmt. Sie lassen Ihr Gewahrsein ohne irgendeinen Bezug einfach in seiner eigenen ursprünglichen lichtvollen Klarheit und Erkenntnissphäre ruhen. Padmasambhava stellt dies als Methode zur Erlangung von Shamatha vor, es handelt sich aber auch um eine effektive Methode zur Erhellung der Natur des Gewahrseins selbst.
    Wir wissen oder meinen zumindest viele Dinge über unsere physische Umwelt, andere Leute, unseren Körper, unseren Geist und uns selbst zu wissen. Aber wie die Wissenschaftler im Verlauf der letzen vier Jahrhunderte immer wieder entdecken mussten, stellen sich viele dieser vermeintlich gesicherten Kenntnisse als trügerisch heraus. Wessen können wir uns absolut sicher sein? Nur äußerst wenige Wissenschafter würden selbst für ihre höchst
    gründlich getesteten Ergebnisse eine solche Gewissheit behaupten. Wie Rene Descartes und viele andere Philosophen in Ost und West feststellten, lässt sich sogar das Vorhandensein einer unabhängig existierenden, objektiv gegebenen, stofflichen Welt in Frage stellen. Vielleicht ist auch sie eine Illusion. Das ist die Grundprämisse des philosophischen Idealismus. Andererseits behaupten viele Verfechter des Materialismus, dass alle unsere subjektiven, geistigen Erfahrungen illusionärer Natur sind. Die meisten Kognitionswissenschaftler sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass unser normalerweise vorherrschendes Gefühl von einem autonomen Ich eine Täuschung ist. Doch behaupte ich inmitten all dieser Ungewissheiten, dass es eine Art von Erkenntnis gibt, derer wir uns absolut sicher sein können: Unser Wissen von der Präsenz des Bewusstseins. Selbst wenn wir uns nicht sicher sind, ob es da einen gesonderten Beobachter gibt — das Ich oder Selbst -, wäre es doch unsinnig zu bezweifeln, dass ein be- wusst wahrgenommenes Erfahren stattfindet. Wäre es anders, könnten wir sein Vorhandensein unmöglich anzweifeln.
    Das ist eine etwas bescheidenere Behauptung als jenes berühmte Diktum Descartes': »Ich denke, also bin ich.« Gedanken treten auf, aber das impliziert nicht notwendigerweise das Vorhandensein eines gesondert existierenden Handelnden namens Ich. Und wie Sie darüber hinaus beim Kultivieren von Shamatha entdeckten, gibt es auch Zeiten der Abwesenheit von Gedanken. Doch kann es immer noch ein Gewahrsein von dieser Abwesenheit geben, ob nun mit ohne davon getrenntem Beobachter. Man kann sich also des Gewahrseins gewahr sein. Machen Sie ein Gedankenexperiment und stellen Sie sich vor, dass Sie sich in einem solchen »Vakuum -Tank« befinden, der so effektiv ist, dass Sie Ihre gesamte Sinneswahrnehmung von Ihrem Körper und Ihrer physischen Umgebung verlieren. Ihnen bleibt nur noch der weite offene Raum des Geistes und die Gedanken, Bilder, Wünsche, Emotio-
     nen und so weiter, die darin aufsteigen. Stellen Sie sich nun vor,
    dass dieser Gewahrseinsraum von allen Inhalten entleert ist. Auch
wenn kein Zeichen da ist - ein Objekt, dass Sie gedanklich erfas-
sen und identifizieren und auf das Sie Ihre Achtsamkeit richten
können -,

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