Die Achtsamkeits-Revolution
Speicherbewusstseins durchdrungen. Wie die Spiegelungen der Planeten und Sterne in einem
Teich klaren durchscheinenden Wassers zeigen sich die Erscheinungen der gesamten Welt der Phänomene in diesem leeren klaren Speicherbewusstsein.
Man kann das Alayavijnana insofern als den relativen Grund- Zustand des individuellen Geistes beschreiben, als es den niedrigsten Aktivitätszustand im Verein mit dem höchsten Potenzial und Grad an Freiheit mit sich bringt, der sich durch das Leermachen des Geistes mit Hilfe der Samadhi-Praxis erreichen lässt. Ist zum Beispiel im traumlosen Schlaf ein individueller Bewusstseinsstrom erst einmal aus seinem eigenen Grund ausgelöst worden, kann er sich ungehindert in einer ungeheuren Vielfalt von Traumlandschaften und Erfahrungen manifestieren. Eine derart außergewöhnliche, sich ebenfalls aus dem Speicherbewusstsein speisende Kreativität entfaltet sich auch im Zustand tiefer Hypnose. Am effektivsten aber gewinnt man Zugang zu diesem Potenzial, wenn man in meditativer Stille in luzidem Zustand bis zum Speicherbewusstsein vordringt. In diesem Fall ist man sich der Basis oder des Grundes klar gewahr im Gegensatz zu der Dumpfheit, die den traumlosen Schlaf normalerweise auszeichnet. Buddhistische Kontemplative berichten, dass eine solche voll bewusste Erkenntnis des Grund-Zustandes des Bewusstseins einen gewaltigen Quell der Kreativität freilegt, der bei den normalen Erfahrungen des Grundes während des Schlafes oder beim Sterben weitgehend verborgen bleibt.
Kontemplative, die das Speicherbewusstsein mit Hilfe der Sha- matha-Praxis erkannt und erfahren haben, behaupten, dass es mit drei Merkmalen versehen ist: Glückseligkeit, lichtvolle Klarheit und Nichtkonzeptualität. Das hat viele Kontemplative dazu gebracht, das Speicherbewusstsein fälschlicherweise für die absolute Natur der Wirklichkeit oder das Nirvana zu halten. Aber ein simples Verweilen in diesem relativen Vakuum- oder Leerezustand des Bewusstseins befreit den Geist nicht von seinen Leid verursachen
den Neigungen oder den daraus folgenden Leiden. Wenn man die Natur des Speicherbewusstseins ergründet und auslotet, erkennt man die Natur des Bewusstseins in seinem relativen Grund-Zu- stand. Jedoch erhellt diese Erkenntnis nicht die Natur der Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit. Es ist wichtig, dass man das Speicherbe- wusstsein nicht mit dem kollektiven Unbewussten verwechselt, so wie es C. G. Jung auffasste. Buddhistische Berichte über das Spei- cherbewusstsein sprechen alle von einem individuellen Bewusst- seinsstrom, der sich von einem Leben zum nächsten fortsetzt.
Wie schon erwähnt, unterscheidet die Dzogchen-Tradition zwischen Alayavijnana, Speicherbewusstsein, und Alaya, Basis, Allbasis, Grund oder Urgrund, das als objektiv gegebener leerer Raum des Geistes beschrieben wird. Dieser Vakuumzustand ist immateriell wie der weite offene Raum, eine nichtdenkende Leere, in die hinein beim Einschlafen alle objektiv gegebenen Erscheinungen sich auflösen, die sich den physischen Sinnen und der mentalen Wahrnehmung zeigen; und aus dieser Leere treten sie beim Aufwachen wieder hervor. 71
An diesem Punkt des Shamatha-Trainings haben Sie Ihre Fähigkeit, sich allen möglichen mentalen Prozessen ohne Ablenkung und ohne Greifen zuzuwenden, fein geschliffen. Auch wenn die Geistesgifte des Begehrens, des Zorns und der Verblendung aufsteigen, können Sie sie beobachten, ohne sich hineinziehen zu lassen. Und da Sie weder nach ihnen greifen noch sich mit ihnen identifizieren, werden sie entgiftet und können Ihr geistiges Gleichgewicht nicht mehr stören. In dem Maße, wie Sie in der Lage sind, diese mentalen Prozesse in ihren natürlichen Zustand zu entlassen, werden sie nicht länger als Geistesplagen erfahren und können Sie nun mit der Erforschung ihrer essenzielleren Natur beginnen.
Wenn Sie Begehren erfahren, nehmen Sie nun vielleicht die Glückseligkeit wahr, die in der Erwartung von Freude und Befrie
digung mit aufsteigt. Sie sehen durch die Leiden und Plagen Ihrer Psyche hindurch und spüren die Glückseligkeit, die ein Merkmal Ihres Speicherbewusstseins ist. Wenn Begehren nach Dingen wie Besitztümern, Berühmtheit, sinnlichen Vergnügen oder auch nach dem Erlangen von Shamatha aufkommt, können Sie sich der Glückseligkeit in diesem Begehren zuwenden.
In der Hitze des Zorns und der Wut können Sie lichtvolle Klarheit entdecken, das zweite Merkmal des Speicherbewussteins. Wann immer Wut aufflammt, haben Sie
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