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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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müssen.
    Auf der Ebene der wichtigen Männer blieb die Abneigung unverändert, ihre Frauen und deren Personal verhielten sich solidarisch, wenngleich auf der Ebene der dienstbaren Geister beileibe kein Schweigen herrschte.
    Es war die Blumenfrau vom Markt, die ein neues Kapitel in der langen Geschichte des Schiffbaus aufschlug. »Wie soll es denn heißen, Euer Traumschiff?«, fragte sie die Witwe und lächelte erwartungsvoll mit allen verbliebenen sechs Zähnen.

48
    Am selben Abend trafen sich die Frauen bei Hedwig Wittmer . Anna hatte sich noch nicht wieder beruhigt. »Ich baue ein Schiff, ich trage Zwietracht in die Stadt, aber ich habe keinen Namen. Wie ist das anders zu erklären als mit meiner Dummheit?«
    »Das müsst Ihr Euch abgewöhnen«, riet Sybille Pieper. »Ein Mann würde sich nie fragen, wie sehr seine Dummheit dazu beigetragen hat, dass etwas scheitert. Ihr seid zu verzagt.«
    Was man von Sybille Pieper nicht sagen konnte. Seitdem sie für die Treffen im Hause Wittmer jedes Mal von einer Kutsche abgeholt wurde, hatte sie begonnen, ihr Leben zu genießen. Auch heute hatte sie sich in Jüttes Namen für die Grüße bedankt, die ihr die Frauen beim letzten Treffen aufgetragen hatten. Trine Deichmann hatte die gute Seele des Salzhauses Schelling bestimmt schon vier Wochen nicht mehr gesehen und auch davor seltener als zu manchen Zeiten. So konnte es gehen: Manchmal lief man sich dreimal am Tag über den Weg, manchmal sah man sich lange nicht.
    Ludowica war heute nicht anwesend. Angeblich traf sie sich mit einem Reeder, für den sie eine Besatzung zusammenstellen sollte.
    Jede Frau besaß ihre eigenen Vorstellungen vom Namen des neuen Schiffs. Sybille Pieper sagte: »Der Kahn muss Adler von Lübeck heißen wie der Riese aus dem letzten Jahrhundert.«
    Aber Anna Rosländer fand diese Vorstellung nicht reizvoll, zumal sie nichts mit der alten Adler verband. Sie wollte den falschen Gedankenschluss vermeiden, dass Gemeinsamkeiten vorlägen, wo es keine gab.
    So begann unvermittelt ein Hauen und Stechen um einen Namen. Jede Freundin brachte ihre Lieblingsnamen ein, zuerst kamen alle dran, die auch Menschen trugen. Adalbert von Lübeck wurde herzhaft belacht und zu den Akten gelegt. Der Zusatz von Lübeck galt als akzeptiert, Schnabel von Lübeck nicht, Sybilles wie nebenbei vorgetragene Pieper von Lübeck ebenso wenig.
    Man kam zur Tierwelt und war sich einig, dass es schon etwas handfester als Kaninchen sein musste. Überhaupt sollte der Name einen positiven, rechtschaffenen Beiklang besitzen, so fielen Schädlinge und kleine Lebewesen unter den Tisch. Auch Nutzvieh fand keine Freunde, ebenso wenig wie Tiere, die nur weitab vom Meer vorkamen. Die Möwe kam und ging, aber bei den Vögeln hielten sie sich länger auf. Erst bei denen, die in der Wirklichkeit lebten, dann drangen sie zu den Lebewesen der Sagen vor. Drachen von Lübeck – wohl kaum. Seltsam, wie auch hier immer wieder die Pieper von Lübeck auftauchte und weggebissen werden musste.
    Es war eine Frage der Zeit, bis sie zu den Göttern vorstoßen würden. Sie begannen mit der Bibel, aber die alten Namen klangen katholisch, und keine der Frauen verspürte das Bedürfnis, in dieser Natur zu wildern. Anna Rosländer besaß Bücher, die sich den fremden Kulturen widmeten. Sie hatte die Werke mitgebracht. Zusammen mit Hedwigs Handbibliothek verfügte man über einen Schatz, der darauf wartete, geplündert zu werden.
    Erst als sie die Liste der Göttinnen nach ihrer regionalen Herkunft sortierten, wurde ihnen bewusst, dass sie sich nur in der römischen und griechischen Welt bedient hatten. Das erschien nicht falsch, aber Trine sagte: »Dem großen Schiff werden alle Meere der Erde offen stehen, aber häufiger als jedes andere Gewässer wird es das Baltische Meer befahren. Lasst uns sehen, ob wir hier fündig werden.«
    Sie lasen sich in die Märchen und Geschichten der Balten, Finnen, Lappen und Germanen ein. Sie fanden Sagen aus Sibirien und Polen, und weil sie so schön im Schwung waren, dehnten sie das Baltische Meer ein wenig aus und sammelten keltische und englische Namen ein.
    Danach musste dringend gegessen werden. Die Haushälterin bekam spitz, was auf dem Programm stand und hielt mit ihren Vorschlägen nicht hinterm Berg. Rosalia tauchte auf und sang das Loblied spanischer Altvorderen. Unter der Hand drohte alles auszuufern. Dagegen half ein harsches Vorgehen. 40 Namen standen auf dem Papier, von dem Anna Rosländer sagte: »Einer von denen

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