Die Adler von Lübeck: Historischer Roman
wird’s. Oder es wird Pieper von Lübeck.«
Stete Zufuhr von Konfekt und Honigbrot sowie der eine oder andere Becher mit hochgeistigem Inhalt feuerten die Namensgeberinnen an. Ein Name nach dem anderen wurde gestrichen. Ständig gingen Arme in die Luft, um pro und contra anzuzeigen.
Am Ende ging es noch um Amerella , Barbelina , Kapu Mate, Matergabiae , Meza Mate, Madder-Akka , Paivatar , Rauni , Vellamo , Achtland, Andraste , Biddy, Ceibhfhionn (weil Sybille den Namen nicht auszusprechen vermochte), Coventina , Gentle Annie, Melusine, Nessa , Rhiannon .
Weitere Wahlgänge verkleinerten die Liste, aber zu lang blieb sie immer noch. Es war Hedwig, die die verbliebenen Namen danach sortierte, ob sie einen Bezug zu Meer und Seefahrt aufwiesen. Alle, die von Herkunft oder Bedeutung eine Nähe zu Gebieten wie Tod, Rache, alten Frauen oder Vulkanen aufwiesen, hatten sich damit erledigt.
Am Ende umfasste die Liste noch zehn Namen. Alle waren erschöpft, Trine plädierte für Vertagung mit den Worten: »Uns fehlt ein zweiter Kopf. Oder ein dritter.«
Sie starrte die Freundinnen an, das Lächeln, das sich auf ihrem Gesicht abbildete, hatte man selten bei Trine gesehen. Für ihre Verhältnisse konnte es nicht anders als frech bezeichnet werden. Erst weigerte sie sich, ihre Gedanken zu verraten, doch die anderen ließen nicht locker. So sagte Trine:
»Warum lassen wir nicht die Lübecker entscheiden?«
Die Überraschung bei den Zuhörerinnen war körperlich spürbar.
»Bisher war es üblich, dass der Eigner des Schiffs den Namen bestimmt. Deshalb waren sich die Namen so ähnlich, weil sie entweder nach dem Namen der Kinder oder der Frau auswählten oder am Ende bei Möwe und Adler landeten. Jedenfalls war die Namensgebung stets Privatsache. Lasst sie uns öffentlich machen. Laden wir Tausende von Lübeckern ein, sich mit uns den Kopf zu zerbrechen.«
»Aber wozu soll das gut sein?«, fragte Sybille Pieper. »Wer findet es denn gut, wenn er denken muss? Und was kriegt er dafür?«
»Daran hatte ich noch gar nicht gedacht«, gab Trine zu. »Wir veranstalten eine Lotterie. Wie soll Anna Rosländers neues Schiff heißen? Unter denjenigen, die den Siegernamen vorgeschlagen haben, wird ein Gewinner ausgelost. Er darf ein Jahr umsonst mit der Kutsche fahren.«
»Oder er wird ein Jahr von mir kuriert«, rief Sybille.
»Es soll ja ein Preis sein und keine Mutprobe«, lästerte Hedwig.
»Ich schenke dem Sieger eins meiner Bilder«, rief die Prinzessin und bewies damit, dass sie zwar leicht erzürnt, aber auch schnell wieder versöhnt war.
Hedwig spendierte ein Fass Bier, Trine schenkte dem Sieger auf Josephs Kosten ein Essen für 20 Personen. Nur Anna Rosländer hielt sich bedeckt.
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, murmelte sie. »Entweder ist Trines Vorschlag eine Schnapsidee oder er ist zu klug für jemanden wie mich.«
»So holen wir alle ins Boot«, sagte Hedwig Wittmer . »Wer sich Gedanken darüber macht, wie das Schiff heißt, wird es nicht mehr hassen. Und wenn es unter dem Namen fährt, den die Mehrheit vorgeschlagen hat, ist es nicht mehr möglich, ihn zu denunzieren. Das ist eine geschickte Lösung. Das Einzige, was von Euch verlangt wird, Anna, ist die Größe, auf Euer Vorrecht zur Namensgebung zu verzichten. Überschlaft es, aber denkt daran: Trines Vorschlag ist hervorragend!«
Hedwig Wittmer war außer sich vor guter Laune. Immer wieder kam sie im weiteren Verlauf des Abends darauf zu sprechen, während die anderen Frauen Anna die Gelegenheit geben wollten, über den Vorschlag in Ruhe nachzudenken.
Anna brach auf eine Weise auf, die allen überstürzt vorkam. Die Frauen gaben sich Mutmaßungen hin, ob sich die Witwe überfahren fühlen könnte. Aber sie war es ja gewesen, die das Treffen anberaumt hatte, um über eben dies zu reden: den Namen des Schiffs.
»Vielleicht ist sie heimlich entschlossen, es Rosländer zu nennen«, sagte die Prinzessin. »Sie sucht nur nach einem Weg, es uns beizubringen.«
»Wenn sie diesen Namen wählt, wird es nie aufhören«, sagte Sybille Pieper. »Dann werden sie dem Schiff ihre alten Kähne entgegenschicken, bei denen sich eine Reparatur nicht mehr lohnt. Sie werden die Kähne von dem großen Schiff in Grund und Boden bohren lassen und Ersatz für den Schaden verlangen.«
Vor einem Monat hätte Trine Deichmann diesen Gedanken noch abwegig gefunden, eine verquere Bemerkung, auf die nur Sybille Pieper verfallen konnte. Heute sah sie das anders. Wenn das Schiff
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