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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Hintergrund wurde der Lebensplan des Säuglings festgeklopft, während die Hebamme am Fenster stand und an der Milch nippte, die sie rituell nach jeder Geburt in großen Mengen zu trinken pflegte. Mit langer Zunge den Bart ableckend, schaute Trine in die Nacht hinaus und ließ die Anspannung aus dem Körper weichen. Erst als sie den Lichtschein sah, wurde ihr bewusst, dass es sich um Anna Rosländers Anwesen handelte. Das Haus war groß, die Wohnlage war es nicht, auch hierbei hatte sich der Reeder frohgemut gegen den bürgerlichen Kanon versündigt. Hier wohnte, wer dabei war, aufzusteigen. Dies war ein Quartier, in dem man nicht lange wohnte, weil nach fünf Jahren feststand, dass es aufwärts gehen würde. Manchmal ging es geradewegs ins Scheitern hinein, auch dann musste gepackt werden, denn etwas Preisgünstigeres musste her.
    Wieder der Lichtschein. Es war kein dramatisches Bild, aber Trine wunderte sich doch, dass Anna Rosländer so verstohlen durch ihr Eigentum huschte. Und wenn es der Holzhändler war? Wenn da drüben, fast in Griffweite, unsittliche Dinge im Begriff standen, sich zu ereignen? Oder sich schon ereignet hatten? Etwas blitzte auf und war verschwunden. Trine Deichmann drückte dem verdutzten Vater den Milchkrug in die Hände.
    »Wohin wollt Ihr?«, rief er.
    »Bei Anna sind die Einbrecher!«
    »Was? Aber Ihr könnt doch nicht allein gegen   …«
    Sie zog ihn mit sich, erst auf halbem Weg wurde Delf bewusst, dass er ausersehen war, eine Heldentat zu begehen. Das widersprach allem, was er im Leben anstrebte. Er fürchtete sich vor Schlägen, vor Schmerzen sowieso. Außerdem war er betrunken. Es gab einen Hausdiener, nicht mehr jung, aber ans Gehorchen gewohnt. Der wusste, wo die Holzprügel standen, und hielt den Knüppel vielversprechend . Auf dem Weg nach nebenan fand sich noch ein Spätheimkehrer. Er war blau und unternehmungslustig. Trine wählte den Weg durch den Garten, denn da war das Licht gewesen.
    Delf warf sich mit der Schulter gegen die Tür. Trine drängte ihn zur Seite und öffnete die Tür auf zivile Weise. Sie hatten sich nicht abgesprochen, aber plötzlich begannen alle drei gleichzeitig zu schreien, der Prügel schlug gegen alles, was Lärm versprach, im Hintergrund hörte man die Einbrecher fliehen.
    Nachts hatte die Haushälterin dreimal so viel Haar wie tagsüber. Aufgelöst und angriffslustig, war sie bereit, sich zu verteidigen. Sie verglich die beiden Männer und legte in Reichweite des Hausdieners von nebenan den Handrücken gegen die Stirn, bevor sie seufzend zu fallen drohte. Er tat, was von ihm erwartet wurde, und packte zu. Lange hielt er fest, was er zu packen bekam, und vielleicht wurde auch das von ihm erwartet.
    Trine wollte den Raum verlassen, als Gemurmel ertönte. Sie kehrten nach Hause zurück. Die Haushälterin genas auf der Stelle und öffnete Anna die Haustür. Ivanauskas und zwei Laternenträger schauten verdutzt, Trine lieferte die nötigen Erklärungen, in jedem Raum erwachte Kerzenlicht.
    Eine halbe Stunde später, Vater Delf war ins eigene Heim zurückgeeilt, zog man in der Küche Bilanz. Die Diebe waren durch die hintere Tür gekommen und durch ein Fenster gegangen. Sie hatten mitgenommen, was klein war: Schmuck, Broschen, Ketten, Silber, Teller, Schiffsmodelle, Geldmünzen natürlich, Exotisches aus Indien, Frivoles aus Elfenbein, Bernstein, grüne, lilafarbige, rote Diamanten.
    Anna Rosländer kündigte an, bei Tageslicht einen zweiten Durchgang zu absolvieren. Sie wirkte gefasst, etwas blass, das war der Schreck. Sie weinte nicht, rang nicht die Hände. Der Holzhändler hielt sie im Sitzen umfasst, aber sie drohte nicht zu stürzen.
    Anna und ihre Tischrunde hatten dem Deichmann die Haare vom Kopf getrunken und waren für einen Nachtrunk zu den Wittmers gegangen, wo sie im Probierraum des Hauses abwechselnd Geräuchertes und Gebrautes verzehrt hatten.
    So nahe war Trine dem Holzhändler noch nie gewesen. Er sprach ein seltsames Deutsch. Einerseits klang es fast fehlerfrei, auch in den schweren Passagen. Andererseits war eine Färbung in seiner Redeweise, die seine angestammte Region verriet und die er wohl nie verlieren würde. Gesicht und Haut verrieten, dass er sein Leben im Freien zugebracht hatte. Das Haar war gelichtet und von einem Grau, das bei Kerzenlicht grünlich wirkte. Im Ohr trug er einen Ring wie die Freibeuter. So sah der ganze Mann aus: stark, verwegen, auf den Buchstaben des Gesetzes pfeifend, wenn es ihm angebracht erschien. Aber

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