Die Adlon - Verschwoerung
war eine Anhängerin der Santeria, einer Mischreligion, die für meinen Geschmack stark an Voodoo erinnerte. Es gefiel mir, dass sie mich in ihre Gebete an ihre afrikanischen Götter einschloss. Sie konnten gar nicht anders - sie mussten besser sein als die, zu denen ich gebetet hatte.
Sobald Havanna erwacht war, fuhr ich in meinem Chevrolet Styline den Prado hinunter. Der Styline war wahrscheinlich der beliebteste Wagen in ganz Kuba und möglicherweise auch einer der größten. Es brauchte mehr Blech, um einen Styline zu bauen, als Bethlehem Steel an Stahl produzierte. Ich parkte vor dem Gran Teatro. Das Gebäude war im Neobarock gehalten mit so vielen Engeln auf den zahllosen Simsen und Sockeln, dass der Architekt wohl geglaubt hatte, Apostel wären nicht so wichtig. Womit er richtig gelegen hatte. Dieser Tage war alles wichtiger als Apostel. Besonders in Kuba.
Ich hatte mich mit Freeman im Raucherzimmer der in der Nähe gelegenen Partagas-Zigarrenfabrik verabredet, doch ich war zu früh, also betrat ich das Hotel Inglaterra und bestellte mir ein Frühstück auf der Terrasse im Garten. Dort begegneten mir die üblichen Havannaer Gestalten, wenn auch keine Prostituierten. Es war noch ein wenig zu früh für die Prostituierten. An den Tischen saßen amerikanische Offiziere, auf Landgang von dem amerikanischen Kriegsschiff im Hafen, ein paar ältere Touristen, ein paar chinesische Geschäftsleute aus dem nahegelegenen Barrio Chino, zwei Unterwelttypen in glänzenden Sharkskin-Anzügen mit Gesichtern so dunkel wie getrocknete Tabaksblätter und noch dunkleren Sonnenbrillen. Ich verzehrte mein englisches Frühstück, dann überquerte ich den geschäftigen, von Palmen bestandenen Parque Central, um mein Lieblingsgeschäft in Havanna zu besuchen.
Im Hobby Center an der Ecke Obispo und Berniz gab es Modellschiffe, Spielzeugautos und - für meine Zwecke entscheidend elektrische Modelleisenbahnen. Ich hatte eine Dubio mit drei Gleisen. Sie war nicht annähernd so groß wie die Eisenbahn, die ich einmal im Haus von Hermann Göring gesehen hatte, doch ich hatte eine Menge Spaß damit. Ich erstand eine neue Lokomotive und einen Tender, die ich beide aus England bestellt hatte. Ich ließ mir eine Menge Modelle aus England kommen, doch es gab mehrere Dinge auf meiner Platte, die ich in meiner Werkstatt zu Hause selbst angefertigt hatte. Yara missfiel die Werkstatt fast so sehr, wie sie die Modelleisenbahn fürchtete. In ihren Augen hatten die kleinen Züge etwas Teuflisches. Es hatte nichts mit der Modellbahn an sich zu tun - so primitiv war Yara nicht. Nein, es war die hypnotische Faszination, die so ein Spielzeug auf einen erwachsenen Menschen wie mich ausübte. Diese Faszination musste ein Werk des Teufels sein. Das Geschäft lag nur ein paar Meter von La Moderna Poesia entfernt, der größten Buchhandlung von ganz Havanna - die von außen allerdings eher aussah wie ein Luftschutzbunker aus Beton. Im Geschäft wählte ich einen von Montaignes Essays auf Englisch, nicht, weil ich ein brennendes Interesse verspürte, Montaigne zu lesen, über den ich nur vage etwas wusste, sondern weil ich dachte, es könnte mir bei meinen Sprachstudien helfen. So gut wie jeder in der Casa Marina wusste, dass ich mich verbessern musste. Kein schlechter Anfang wäre beispielsweise gewesen, meine Brille häufiger zu tragen, dachte ich - denn für einen Moment war ich überzeugt, Gespenster zu sehen. Dort, mitten im Buchladen, stand jemand, den ich zum letzten Mal in einem anderen Leben gesehen hatte.
Vor mehr als zwanzig Jahren.
Noreen Charalambides.
Bis auf die Tatsache, dass sie nicht mehr Noreen Charalambides war. Genauso wenig, wie ich noch Bernhard Gunther war. Sie hatte ihren Mann Nick Charalambides vor vielen Jahren verlassen und ihren Mädchennamen wieder angenommen. Noreen Eisner war der Welt als Autorin von zehn äußerst erfolgreichen Romanen und mehreren gefeierten Stücken bekannt.
Sie saß bei der Kasse und signierte unter den hündischen Blicken einer öligen amerikanischen Touristin eins ihrer Bücher, als ich mich anstellte, um meinen Montaigne zu bezahlen - was bedeutete, dass sie und ich uns im selben Augenblick bemerkten. Wäre es anders gewesen, ich hätte mich wahrscheinlich davongestohlen. Davongestohlen, weil ich unter falschem Namen in Kuba lebte, und je weniger Menschen davon wussten, desto besser. Und davongestohlen, weil ich alles andere als präsentabel aussah. Ich hatte nicht mehr präsentabel ausgesehen seit
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