Die Adlon - Verschwoerung
Handfläche.
«Dieses Projektil habe ich im Arbeitszimmer aus der Wand geholt. Es sieht nach Kaliber achtunddreißig aus. Ein Achtunddreißiger ist für gewöhnlich sehr laut und nur schwer zu überhören. Während des Feuerwerks allerdings ... man könnte leicht sechs Schüsse abfeuern, ohne dass jemand Verdacht schöpft.»
Meyer Lansky sah mich an. «Was halten Sie von dieser Idee?», fragte er.
«Ich?»
«Ja, Sie. Max hat erzählt, dass Sie früher ein Cop waren. Was für ein Cop überhaupt?»
«Ein ehrlicher Cop.»
«Scheiß drauf. Ich meine, in welcher Abteilung waren Sie?» «Mordinspektion.»
«Ah. Und was halten Sie von dem, was der Captain hier erzählt?»
Ich zuckte die Schultern. «Ich denke, wir stolpern von einer Mutmaßung zur nächsten. Ich denke, es wäre eine gute Idee, wenn ein Arzt die Leiche in Augenschein nimmt und versucht, den Todeszeitpunkt festzustellen. Vielleicht ist er während des Feuerwerks gestorben, vielleicht auch nicht. Wäre plausibel, denke ich.»
Ich sah zur Terrasse. «Ich sehe nirgendwo Hülsen, also hat der Killer entweder eine Automatik benutzt und die verschossenen Hülsen in der Dunkelheit aufgesammelt, was mir unwahrscheinlich vorkommt, oder er hat einen Revolver benutzt. Wie dem auch sei, mir scheint, wir sollten dringend nach der Mordwaffe suchen.»
Lansky sah Hauptmann Sanchez an.
«Wir haben bereits danach gesucht», sagte Sanchez.
«Gesucht?», sagte ich. «Wo denn?»
«Auf der Terrasse. Im Penthouse. Auf der achten Etage.»
«Vielleicht hat der Täter sie in diesen Park geworfen», sagte ich und deutete auf den Campo de Marte. «Er könnte sie hinuntergeworfen haben, und in der Dunkelheit hat niemand etwas bemerkt.»
«Vielleicht hat er sie auch wieder mitgenommen», sagte der Hauptmann.
«Vielleicht. Andererseits war gestern Abend Colonel Esteban Ventura im Kasino. Was bedeutet, dass im und rings um das Hotel eine Menge Polizisten waren. Ich kann nicht glauben, dass jemand, der soeben einen Mord begangen hat, das Risiko eingeht, mit der Mordwaffe, aus der er soeben sechs oder sieben Schüsse abgefeuert hat, einem Polizisten über den Weg zu laufen. Insbesondere, wenn es ein professioneller Killer war. Und offen gestanden, es sieht nach einem professionellen Killer aus. Man muss ziemlich kaltblütig sein, um so viele Schüsse auf das Opfer abzufeuern und es so oft zu treffen und trotzdem zu glauben, dass man damit durchkommt. Ein Amateur wäre sicher in Panik geraten und hätte häufiger vorbeigeschossen. Vielleicht hätte er die Waffe sogar hier oben zurückgelassen. Ich würde sagen, er hat sie auf dem Weg nach draußen irgendwo im Hotel entsorgt. Meiner Erfahrung nach kann man alles Mögliche aus einem so großen Hotel herausschmuggeln. Oder hinein. Kellner laufen mit zugedeckten Tabletts herum. Pagen tragen Taschen und Koffer. Vielleicht hat der Killer die Waffe einfach in einen Wäschekorb geworfen.»
Hauptmann Sanchez rief einen seiner Leute herbei und befahl, die Wäschekörbe des Hotels zu kontrollieren sowie den Campo de Marte zu durchkämmen.
Ich ging zurück in Max Reles' Büro und starrte, indem ich die Blutflecken auf Zehenspitzen umrundete, auf den Toten hinunter. Neben seinem Kopf lag etwas unter einem Taschentuch; Blut war durch den Stoff gesickert. «Was ist das?», fragte ich den Hauptmann, als er fertig war mit dem Erteilen von Befehlen an seine Leute.
«Sein Augapfel. Er muss herausgesprungen sein, als eine Kugel seinen Kopf durchschlug.»
Ich nickte. «Das muss eine höllische Achtunddreißiger gewesen sein. So etwas würde man von einer Fünfundvierziger erwarten, aber nicht von einer Achtunddreißiger. Dürfte ich die Kugel sehen, die Sie gefunden haben, Senor?»
Sanchez reichte mir das deformierte Geschoss.
Ich nahm es in Augenschein. «Nein. Ich denke, Sie haben recht, es sieht nach einer Achtunddreißiger aus. Aber irgendetwas muss dieser Kugel zusätzliche Wucht verliehen haben. Eine höhere Geschwindigkeit.»
«Und was?»
«Ich habe keine Ahnung.»
«Sie waren ein Ermittler, Senor?»
«Das ist sehr, sehr lange her. Und ich wollte nicht andeuten, dass Sie Ihre Arbeit nicht verstehen, Senor. Ich bin sicher, Sie haben Ihre eigenen Methoden, eine Ermittlung zu führen. Doch Mr. Lansky hier hat mich gefragt, was ich denke, und ich habe ihm geantwortet.»
Hauptmann Sanchez nuckelte ein letztes Mal an seinem dünnen Zigarillo, bevor er es achtlos zu Boden fallen ließ - am Tatort eines Verbrechens, das er aufklären
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