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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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goldgelben Inhalt auf den Tisch und über Johannas Rock und Bluse ergoss.
    »Ach, verdammt, Helmut!«, rief Johanna, warf ihre Stoffserviette auf den Tisch und lief aus dem Zimmer.
    Ein paar Sekunden herrschte betretenes Schweigen im Raum. Dann rief Helmut: »Aber ich wollte doch nur …«
    »Was wolltest du nur…?«, sagte Ulrike und sah ihn fragend an. »Was?« Dabei spürte sie, wie der Groll in ihr, der sich eigentlich gegen Rainer richtete, zu einem Groll gegen Helmut wurde. (Denn, ja, sie verachtete ihn. Verachtete sein besserwisserisches Getue und die rücksichtslose Art, andere zu kränken und sich hinterher als der Falschverstandene darzustellen.)
    »Herrgott«, rief Helmut und angelte nach der Weinflasche. »Hier wird aber auch wirklich jedes Wort auf die Goldwaage gelegt! Also schön, vielleicht hätte ich es ein wenig geschickter ausdrücken können, aber es kann niemand von mir verlangen, dass ich die Augen davor verschließe, wenn meine Mutter im Begriff ist, einen kapitalen Fehler zu spielen.« (»Einen Fehler spielen«, nannte der Golfer Helmut es, wenn jemand seiner Meinung nach eine wie auch immer geartete falsche Entscheidung traf.)
    »Du hast dich wirklich aber auch kein bisschen geändert, Helmut!«, sagte Ulrike abfällig und stocherte lustlos in ihrem Hühnerfrikassee herum. »Immer noch der gleiche Klugscheißer wie früher! Mein Gott!«
    Ben, der sich noch immer zurückhielt und dem Gefecht eine Zeitlang aus der Position des interessierten Beobachters gefolgt war, konnte sich nur darüber wundern, wie ungeniert Ulrike sagte, was sie über seinen Vater dachte.
    »Ach, das musst du gerade sagen!«, schlug Helmut zurück. »Du und dein Getue! Komm, hör bloß auf!«
    »Was soll das heißen, Helmut?«
    »Das weißt du ganz genau!«
    »Wenn du ein Problem mit mir hast, musst du es nur sagen!« Ulrike schob ihren noch immer gut gefüllten Teller endgültig beiseite. »Na los, raus damit!«
    »Nun hört schon auf!«, mischte sich Ben ein, der mit seiner Gabel eine Möhre aufgespießt hatte.
    »Halt du dich da raus, ja!«, rief Helmut. »Sieh lieber nach deiner Großmutter, statt Reden zu halten.«
    »Ich warte!«, rief Ulrike, erhob sich von ihrem Platz und ging ans Fenster.
    Dabei sah sie Helmut scharf an.
    »Ach, lass gut sein! Hat ja doch keinen Sinn«, machte derplötzlich zu Bens Überraschung einen Rückzieher. »Lass uns lieber noch was trinken!«
    »Das ist ja wohl die Höhe«, redete Ulrike sich nun ihrerseits in Rage. »Erst das Großmaul spielen und dann den Schwanz einziehen!«
    (Ulrike konnte sich über ihre eigene Offenheit nur wundern, denn seit sie erwachsen waren, hatte sie so noch nie mit ihm gesprochen. Aber nichts und niemand hätte sie in diesen Minuten stoppen können.) »Sag mal, für wen hältst du dich eigentlich? Für den lieben Gott vielleicht? Mal ehrlich! Du verstehst es wirklich glänzend, anderen die Show zu stehlen. Immer nur du, du, du! Was mit dem Rest ist, das ist dir völlig egal. Aber so arrogant warst du ja schon früher! Du bist einfach nicht auszuhalten.«
    »Pah!«, schnaufte Helmut und machte eine wegwerfende Handbewegung. Dann lehnte er sich auf der Couch zurück und alles schien darauf hinzudeuten, dass er klein beigab. (Doch der Eindruck täuschte, denn offenbar hatte er nur kurz innegehalten, um sich neu zu sammeln.)
    »Ist das alles, was dir dazu einfällt? Hä?«, ließ Ulrike nicht locker und spürte, dass sich vor ihr ein schwarzes Loch auftat, in das sie sich gemeinsam mit Rainer und den Kindern hinabstürzen sah.
    Da setzte Helmut sich langsam auf. »Ich will dir mal was sagen«, holte er aus und nahm zunächst genussvoll einen Schluck Wein. »Du denkst, du hast Ahnung, und markierst die starke Minna. Hast du aber nicht! Nicht die Bohne! Denn hier geht es nicht um dich oder mich oder sonst wen, sondern einzig und allein um die Zukunft unserer Mutter, vielleicht begreifst du das endlich! Und da ich glaube, dass sie voreilig gehandelt hat, bin ich nicht gewillt, so ein Verhalten auch noch gutzuheißen! Lügen ist was für Feiglinge, und weil ich Lügenhasse, spreche ich auch die unbequemen Dinge aus! Jeder, der mich kennt, weiß das! Ich habe mich noch nie aus dem Staub gemacht, wenn es hieß, Farbe zu bekennen. Und das wird auch in Zukunft so bleiben. Darum sage ich hier und heute: Sie hätte mich, schließlich bin ich der Älteste, um Rat fragen sollen, statt tagelang so ein Getue um das Ganze zu veranstalten! Ich sehe wirklich nicht, wie sie aus

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