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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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muffig riechenden Berg über Tage hinweg angesammelter Schmutzwäsche und starrte verächtlich das verpackte Kondom an. Gedankenverloren war sie im Begriff gewesen, ihrer Miele-Waschmaschine das gefräßige, weit geöffnete Maul zu stopfen, als ihr das Ding beim Griff in die Tasche von Rainers Armani-Jeans in die Hände fiel.
    Auf Ulrikes innerem Bildschirm leuchtete rhythmisch flackernd das Wort »Notfall« auf, ohne dass sich dieses in seiner Dringlichkeit sekündlich steigernde Flackern durch einen wie auch immer gearteten Knopf hätte abschalten lassen, nein. Mit brennender, in einen wütenden Kopfschmerz übergehender Intensität schickte die Wut ihre Ausläufer wellenartig in sämtliche Regionen ihres von heftigem Pulsschlag in höchste Alarmbereitschaft versetzten Körpers, ein finsterer Rausch der Blutgefäße. Bis sie schließlich (so als legte man bei einemlaufenden Wagen mit Schaltgetriebe krachend, weil ohne zu kuppeln, den ersten Gang ein) tief Luft holte, das verschweißte Präservativ in einer jähen Aufwärtsbewegung ihrer rechten Hand wuchtig in die Höhe stieß und dabei erbittert und zu allem entschlossen rief: »Na warte, mein Lieber! Na warte! Dir werd ich’s zeigen!« Dann drehte sie sich auf dem Absatz um, lief die Treppe hinauf und steuerte auf direktem Weg ins Wohnzimmer. Dort angekommen, riss sie die Tür des Schranks auf, in dem auf drei Regalebenen die Gläser des Hauses standen, angelte sich ein Schnapsglas, holte aus dem Souterrain die Kirschwasserflasche und stellte beides, ohne die Schranktür zu schließen, auf den Tisch.
    Na warte, hallte es in ihr, na warte, während sie das randvolle Glas an die lautlos bebenden Lippen führte und spürte, wie die stechende, zugleich aber höchst aromatische Flüssigkeit zwischen ihnen hindurchsickerte und, auf ihrer Zungenspitze angelangt, ein kurzes, herrlich betäubendes Brennen erzeugte. Und mit aller Entschlossenheit, zu der sie in diesen Minuten fähig war, schwor sie Rainer Rache für das, was er ihr offensichtlich angetan hatte. Dann kippte sie den Inhalt des Glases mit geschlossenen Augen hinunter, atmete kurz und heftig aus und stellte das leere Glas auf den Tisch.
    Ulrike konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ein Kondom in der Hand gehalten hatte. Das musste in einem anderen Leben gewesen sein. Mit Rainers Vasektomie hatten sie sich aus einer Welt verabschiedet, in welcher derlei Dinge eine Rolle spielten. Zudem hatte irgendwann ihre Menopause eingesetzt. Und den Umstand, nicht länger zu menstruieren, empfand sie als bequem; andererseits hatte sie das Versiegen ihrer Fruchtbarkeit, obgleich sie drei Kinder geboren hatte und nie einen Gedanken an ein viertes Kind verschwendet hatte, wie das unwiderrufliche Zuschlagen einer Tür empfunden, hinterder das Fest des Lebens fortan ohne sie stattfand. Natürlich bewies allein die Existenz des Kondoms nicht das Geringste. Doch wer sich Kondome besorgte, so Ulrikes nicht ganz unlogische Schlussfolgerung, der hatte die Absicht, sie auch zu benutzen. Und das genügte. Hier lag ein klarer Fall von Ehebruch vor – geplant oder bereits vollzogen, für Ulrike ein und dasselbe.
    Schon länger hatte sie das Gefühl, Rainer speise sie im Bett nur noch ab, und sein Begehren erschien ihr oft unecht, gespielt. Die meiste Zeit wirkte er müde und desinteressiert, und zuletzt war die Initiative fast ausschließlich von ihr ausgegangen.
    Zweifellos war Ulrike sexuell nicht das, was man eine Offenbarung nannte. Ihre Phantasien waren konventionell und begrenzt, und ihre Strategien, um Rainer zu verführen, beschränkten sich auf ein durchsichtiges Negligé oder feucht glänzende, feuerrot geschminkte Lippen, die sie ihm, wenn ihr der Sinn nach Sex stand, aufdringlich präsentierte wie eine aufgeschnittene Blutorange. Doch viel wichtiger war doch, dass sie mit ihm durch dick und dünn gegangen war. Aber nun hatte er den Bogen überspannt und sie an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen. Betrug an anderen war das eine. Doch ihre Solidarität schamlos zu hintergehen, noch dazu mit anderen Frauen, wie es aussah, war etwas anderes und des Guten zu viel.
    Zu allem entschlossen, marschierte Ulrike in die Diele, nahm den Telefonhörer von der Feststation und wählte die Nummer ihrer besten Freundin Britta.
    »Ich hab in Rainers Hosentasche ein Kondom gefunden!«, platzte es aus Ulrike heraus, nachdem sie die Stimme ihrer Freundin vernommen hatte. »Das Schwein betrügt mich!«
    »Bist du sicher?«, kam

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