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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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schüttete, wobei er sein Ziel beinahe um Haaresbreite verfehlte, den schneeweißen Inhalt in seinen Kaffee. Anschließend griff er fahrig nach dem ockerfarbenen Amarettoplätzchen und legte es sich demonstrativ auf die weit herausgestreckte Zunge.
    Immer wieder warf die Bedienung ihm Blicke zu, und Rainer genoss ihr Interesse an seiner Person mit Hingabe. Irgendwann bestellte er, um nach all dem Alkohol nicht vollkommen die Kontrolle über sich zu verlieren, etwas zu essen. Vielleicht, so hoffte er, würde seine Magensäure endlich Ruhe geben, wenn er ihr einen Klumpen Fleisch zum Fraß hinwarf. In unregelmäßigen Abständen zog er sein Handy aus der Tascheund schielte so lange irritiert auf das nachtdunkle Display, bis ihm jedes Mal neu einfiel, dass er es vor einer ganzen Weile zum Schutz vor Ulrikes Anrufen ausgeschaltet hatte.
    Während des Essens (einem liederlich panierten, ziemlich zähen und von fetttriefenden Rosmarinkartoffeln und holzigen, viel zu salzigen Karotten flankierten Schweineschnitzel) kam Rainer sich wie einer dieser Automaten in den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser vor, denen man per Knopfdruck stumpfsinnige computeranimierte Grunzlaute entlockte, während man ein auf einem flackernden Bildschirm auftauchendes Monster per Joystick auf eine es umzingelnde Gruppe bewaffneter Krieger zubewegte. Denn bei jedem noch so flüchtigen Blick der Bedienung gab er kurze animalische Schmatzlaute von sich.
    Als Rita kurz vor Mitternacht sagte, sie hätte in einer Viertelstunde Feierabend, schob Rainer den Teller und die vor ihm stehende leere und am Rand mit braunen Schaumresten verkrustete Tasse zur Seite und sagte: »Draußen steht mein Wagen!«
    »Okay«, sagte die Frau und fügte sogleich hinzu: »Aber lass mich lieber fahren!«
    Kurz darauf saßen sie nebeneinander im Wagen, und Rainer musste aus der ungewohnten Position des Beifahrers immerzu auf ihre schlanken, wohlgeformten Beine starren. Sie fuhren ein paar Kilometer über die Autobahn und betraten zehn Minuten später ihre Wohnung. Rita machte Licht im Flur, schob ihn in eines der seitlich abgehenden dunklen Zimmer, deren Türen offen standen, und verschwand.
    Rainer starrte in die Dunkelheit eines unscharf als Wohnzimmer erkennbaren Raumes. Durch das vorhanglose, ihm gegenüberliegende Fenster konnte er in der Ferne die von der Autobahn indirekt heraufstrahlenden Scheinwerferlichter sehen.
    Er tastete an der Wand nach dem Lichtschalter. Doch imselben Moment vernahm er Ritas Stimme, die sagte: »Bitte, kein Licht jetzt!« Dabei ergriff sie seine Hand, ließ sie aber sofort wieder los und umschlang ihn mit beiden Armen. Schwer atmend sank Rainer neben ihr auf den Boden.
     
    W ährend Rainer, betrunken und voller diffuser Gier, in den Armen einer Frau lag, die er gerade mal ein paar Stunden kannte, Ulrike mit vom Weinen geröteten und leicht geschwollenen Augen vor der Frisierkommode in ihrem Schlafzimmer saß und nervös an dem in ihrer linken Hand zu einer widerspenstigen Kugel geformten Tissue nestelte und Rainer erbittert Rache schwor, betrat Helmut die »Spelunke« in Altkesselstadt.
    Zur gleichen Zeit machte in Dörnigheim Ben dem Kellner des »Da Angelo« ein Zeichen, um die Rechnung zu erhalten, nachdem er und Iris bei Kerzenlicht in einer milden Champagnersauce servierte Seezungenfilets verspeist hatten, währenddessen Johanna im Wohnzimmer in der Ankergasse saß und nachdenklich, die Fernbedienung in der Hand, auf die verstaubte Mattscheibe des ausgeschalteten Fernsehers starrte.
    Jeden Moment mussten Breitenbach und Finkbeiner eintreffen, die in der nahen Friedenskirche für das am Wochenende stattfindende Orgelkonzert geprobt hatten. Die beiden hatten sich für ein spätes gemeinsames Glas Portwein angekündigt. Daraufhin hatte sie drei Gläser geholt und die Flasche Sandeman auf den Tisch gestellt.
    Mit klopfendem Herzen war sie zum Telefon geeilt, als es geläutet hatte. Sie hatte gehofft, dass es Janek sei und sie mit seiner vertrauten, leicht kantigen Stimme aus ihrer entsetzlichen Anspannung erlöste. Denn noch immer hatte er ihr nicht dasgeringste Lebenszeichen gegeben. Und obwohl sie Ben das Versprechen abgenommen hatte, sich in Janeks Werkstatt umzusehen und sie anschließend wieder anzurufen, hatte der sich noch immer nicht wieder bei ihr gemeldet. Doch dann hatte sie Breitenbachs brummigen Bass vernommen und enttäuscht den Kopf gesenkt.
    »Ja, kommt nur«, hatte sie gesagt und kraftlos den Hörer zurück auf die Gabel

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