Die Ängstlichen - Roman
schweißnasse Haar.
Er nahm die Beretta vom Bett, zielte mit zugekniffenem rechtem Auge auf das offene Fenster und hauchte: »Dreyfuss! Puh!«
Nein, dieses Spiel war noch lange nicht verloren, im Gegenteil: Für ihn ging es nun erst richtig los! Er war mit der Interpol, die ihn wegen Kreditbetrug in drei Ländern verfolgte, fertig geworden, und er würde auch mit Dreyfuss und seinen Leuten fertig werden.
Janek hatte damals in einem Geschäftshaus in Maastricht-Airport ein Büro gemietet, unter dem Firmennamen »Greenwood-Enterprises« Kreditsuchenden unbürokratische Hilfe angeboten und dafür im Voraus die dafür fälligen Versicherungsgebühren kassiert. In einem schwarzen Alfa Romeo war er quer durch Deutschland, Österreich, Holland und Belgien gefahren, um die Kreditnehmer persönlich aufzusuchen und die Gebühren zu kassieren.
Johanna hatte er erzählt, er statte seiner Mutter Olga, die in einem Altenheim im Harz lebte, einen längeren Besuch ab und fahre anschließend weiter nach Polen. Insgesamt hatte er sich fast zweihunderttausend Euro erschlichen und dabei mehr als dreißig Personen geschädigt.
Als seine Betrügereien aufflogen und mehrfach Strafanzeige gegen ihn gestellt wurde, hatte Janek den Wagen in einem Waldstück bei Freiburg abgestellt, mit Benzin übergossen und angezündet. Anschließend war er für einige Wochen bei polnischen Freunden in Würzburg untergetaucht. Sogar im Fernsehen war ein Foto von ihm gezeigt worden, das Bild eines Mannes mit Brille, Vollbart und schwarz gefärbten, kurz geschnittenen Haaren. Doch nicht einmal Johanna, die am Abend der Ausstrahlungvor dem Fernseher saß, hatte ihn erkannt, und die Hinweise, die zum Fall »Greenwood« anschließend bei den genannten Polizeidienststellen und in den Aufnahmestudios eingingen, waren mehr als dürftig. Doch dann war Janek Maurice Dreyfuss begegnet, der in Würzburg in einer stillgelegten Papierfabrik am Mainufer illegal Glücksspiel betrieb, Black Jack, Poker und Roulette, und hatte innerhalb kürzester Zeit nicht nur die erschlichenen Zweihunderttausend an ihn verloren, sondern darüber hinaus weitere neunzigtausend Euro. Seitdem waren etwas mehr als drei Wochen vergangen, und das Ultimatum, das Dreyfuss ihm gestellt hatte, war zwei Tage zuvor abgelaufen. Doch Janek hatte einen Plan, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Ganz plötzlich war ihm die Idee dazu gekommen. Und mit etwas Glück würde er sogar funktionieren.
I n exakt 19 Grad warmen Wellen rann das Wasser an seinem geröteten, von der Anstrengung seines Ritts auf dem »Racer GT« gezeichneten Körper herab, und Helmut, der mit geschlossenen Augen sein erhitztes Gesicht dem gebündelten Wasserstrahl darbot, spürte plötzlich eine große Demut in sich aufsteigen. Ja, er war bereit, zu lernen und sich mit all denen auszusöhnen, denen er Unrecht getan hatte. Allen voran sein Sohn Ben.
Helmut hatte nie begreifen können, wie er zu diesem Stammhalter gekommen war, einem unzugänglichen, eigensinnigen Burschen, der von einer Misere in die nächste stolperte. Marina, seine erste Frau, war für Helmut rückblickend ein ähnlich leidvolles Missverständnis, ein folgenschwerer Fehlgriff gewesen. Und so war niemand im Hause Jansen überrascht, als die überstürzt geschlossene Ehe zwischen Helmut und der jungen, inJena geborenen Frau ebenso blitzartig wieder zu Ende war. Nach gerade mal drei Monaten gingen sie getrennte Wege.
Ben, damals noch keine fünf Monate alt, kam in ein Kinderheim in der Nähe von Würzburg. Helmut hatte seinen Sohn später ein paarmal dort besucht und das Bündel ungeschickt im Arm gehalten (die Fotos zeigen einen linkischen, peinlich berührten Mann, der angestrengt lächelnd in die Kamera blickt).
Im Leben eines Menschen wie Helmut gab es keinen Platz für andere. Auch nicht für einen Sohn. So hatten sie einander in den folgenden Jahren mehr oder weniger beziehungslos gegenübergestanden, und jeder spätere Kontakt zwischen Vater und Sohn glich einer unausgesprochenen Kampfansage des einen an den anderen. Schon als Vierzehnjähriger hatte Ben Helmut seinen Widerwillen und seinen Hass spüren lassen, jede Sekunde bereit, auf Kollisionskurs zu gehen.
Johanna, zu der Ben mit seinem fünften Lebensjahr zog, war es in dieser Zeit zu verdanken, dass es zwischen ihnen nicht zum offenen Bruch gekommen war.
Dachte Helmut an seine Mutter, die es bis heute nicht unterließ, sich ungefragt in seine Sachen einzumischen, war es genau dasselbe. In
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