hoher Rotationsgeschwindigkeit näherte und er wenige Augenblicke später, eingeleitet von einem mächtigen Vibrieren der Schädeldecke, zu spüren glaubte, wie es sich in den freigelegten Knochen seines betäubten Kopfes fraß und er meinte, das Bewusstsein zu verlieren, zu sterben.
»Nein, nicht!«, vernahm Ben das verklingende Echo seinereigenen Schreie, als er mit vor das Gesicht gebreiteten Händen erwachte.
Zur gleichen Zeit (das granatrote Display der Digitaluhr an Ulrikes Miele-Elektroherd in der Küche zeigte inzwischen 10.42) saßen irgendwo in Deutschland die Sportredakteure zweier mittelgroßer deutscher Tageszeitungen vor ihren eingeschalteten Rechnern und durchforsteten auf der Suche nach Post von
[email protected] vergeblich ihre gut gefüllten E-Mail-Accounts. Zwar hatte
[email protected] einen der beiden zugesagten Artikel (einen Zwischenruf zum sich immer schneller drehenden Trainerkarussell in der laufenden Fußballbundesliga-Saison 2003–2004, nachdem tags zuvor nach nur neun Spieltagen bereits der dritte Übungsleiter vorzeitig aus seinem Vertrag entlassen worden war) begonnen, die Arbeit daran aber eingestellt und seinen Laptop ausgeschaltet, als er plötzlich Schmerzen in der Rippengegend spürte, die so stark und ungewöhnlich waren, dass Ben, wie es neuerdings seine Art war, wieder das Allerschlimmste vermutete: Lungenkrebs oder, mindestens genauso gefährlich, ein Emphysem in der Lunge, irgend so etwas jedenfalls, das im Begriff war, sein Innerstes aufzuzehren, lahmzulegen oder mit unheilbaren Entzündungsherden zu überziehen. Bei der geringsten Berührung seiner Rippen durchfuhr ihn ein kurzer stechender Schmerz. Verängstigt schob er in Erwartung irgendwelcher grünlicher oder blauer Flecke oder Male sein T-Shirt nach oben. Doch stattdessen registrierte er bloß einheitlich blasse, leicht schuppige Haut über einem sich ringförmig um seine obere Taille spannenden, von schwacher blonder Behaarung bewachsenen Speckring. (Aber wieso eigentlich grünlich? Noch nie hatte sich, und das wusste sogar Ben, Lungenkrebs oder ein Emphysem äußerlich und schon gar nicht in Form blauer oder grünlicher Hautausschläge geäußert! Er hatte als Symptom füreinen noch unentdeckten Lungenkrebs von Schmerzen in den Beinen gehört. Aber grünliche Flecken?) Nicht die kleinste Rötung war auszumachen, nichts! (Was für Ben allerdings keineswegs Entwarnung bedeutete, sondern vielmehr das untrügliche Zeichen einer wirklich ernsthaften Erkrankung.) In einer Mischung aus Enttäuschung und wachsender Furcht zog er das Federbett hinauf bis zum Kinn, streckte sich aus und starrte beklommen an die Zimmerdecke.
Als Kind, er war damals gerade fünf geworden, hatte man ihm den Blinddarm entfernt. Trotzdem hatte er seither nie vergessen, wie es sich angefühlt hatte, als man ihm die Betäubungsmaske aufs Gesicht gedrückt und ihn aufgefordert hatte, von zehn ab rückwärts zu zählen. Mit dem engmaschigen Gitter vor Augen war er sich vorgekommen wie ein ins Schmetterlingsnetz geratener Falter, der noch eine Zeitlang vergeblich mit den Flügeln schlug, ehe das Chloroform zu wirken, schlagartig seine Bewegungen (ein schwächer werdendes Vibrieren) zu lähmen und seine Sinne zu trüben begann.
»Ich bin krank, ich weiß es!«, sagte Ben eine halbe Stunde später zu Iris am Telefon und schlug mit der freien Hand auf das Federbett. »Noch ein, zwei Wochen, und ich liege auf der Intensivstation. Du wirst sehen!«
»Jeder muss eines Tages sterben, Ben! Ich, du, wir alle«, versuchte sie ihn zu beruhigen, wie man ein Kind beruhigt, das sich fürchtet. Doch die Art, wie sie es tat, machte alles nur noch schlimmer (denn sie klang empörend herzlos). »Doch du wirst sicher nicht an diesen sogenannten Rippenschmerzen sterben«, fuhr sie fort, »nicht jetzt und auch nicht in zwei Wochen, glaube mir! Und, bitte, Ben, überlege doch mal: Hast du jemals davon gehört, dass jemand an Rippenbeschwerden gestorben ist? Ich jedenfalls noch nicht.«
»Was heißt hier sogenannte Rippenschmerzen?«, fauchte erbekümmert und zog die Bettdecke hoch. »Du glaubst mir nicht! Du hältst mich aus irgendeinem Grund für einen Simulanten, stimmt’s? Du denkst, ich mache dir etwas vor.«
»Unsinn! Natürlich glaube ich dir«, erwiderte Iris entschieden. »Warum solltest du so etwas tun?« (Ja, warum sollte er das tun? Um noch mehr Aufmerksamkeit von ihr zu bekommen, als er ohnehin schon bekam?)
Es war die Mischung aus Janeks Tod und der Begegnung