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Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Titel: Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Archer
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Zeit!«, verlangte Annabelle zu wissen. »Das Grenz-Rennen muss um Punkt zwölf beginnen!«
    Ralph zückte sein Handy. »23 Uhr 59 … Mitternacht!«
    Annabelle stieß einen Schrei aus, und die Pferde stoben in vollem Galopp ins Land der Eben-noch-Lebenden.
    Die Ausbildung von untoten Pferden ist ein äußerst schwieriges Unterfangen. Wenn sie gereizt sind, schnappen sie nach ihren Stallknechten. Aber das ist noch nicht das Schlimmste.
    Bei der Ausbildung eines lebendigen Pferdes läuft praktisch alles übers Fressen (Zuckerwürfel, Möhren und dergleichen). Ein untotes Pferd kann aber schlicht und ergreifend nicht fressen. Allein der Versuch ist lachhaft. Denn jegliche Nahrung rutscht sofort zwischen den Pferderippen hindurch und landet auf dem Boden. Der Auftrag, ein Pferd zu präsentieren, das schneller sein sollte als jedes im Land der Eben-noch-Lebenden verfügbare Pferd, war also eine heikle Angelegenheit. Ein Problem bestand nämlich auch darin, dass verwesende Pferdegerippe im starken Galopp unweigerlich Fleischbrocken verlieren. Selbst im Kanter, im leichten Galopp, kommt es zu dramatischen Verlusten an Knorpelgewebe. Zudem reißen bei einer Geschwindigkeit von an die fünfzig Stundenkilometern die Schädel ab, was das sofortige Aus bedeutet. Zombie-Pferde sind auch nicht viel besser. Verwesendes Fleisch ist trotz seiner zahlreichen guten Eigenschaften kein bisschen aerodynamisch. Und was die Gangart betrifft, so ist ein schlurfender Galopp nicht nur für die Reiter unangenehm, sondern auch unschön anzusehen.
    Aus diesen und anderen Gründen entwickelten untote Ingenieure eine Art Cyborg-Pferd, ein Titan-Knochen-Gebilde, das galoppieren konnte, bei dem aber auf pferdetypische Details wie den Schwanz oder die individuelle Persönlichkeit verzichtet wurde. Diese technische Meisterleistung der bald-toten Ingenieure war allerdings, wie Ralph schnell merken sollte, kein bisschen komfortabel. Was er auf dem Hinterteil des Cyborg-Rosses hinter sich brachte, glich eher einem Rodeo als einem Ritt.
    Annabelles Pferd jagte davon, wie es sich für einen feurigen Titan-Knochen-Hengst geziemte. Ralphs und Beatrice’ Pferd dagegen zockelte unter der Last seiner Rüstung und seiner beiden Reiter ziemlich schwerfällig los. Anhand abgebrochener Zweige und niedergetrampelter Büsche Annabelles Spur zu folgen, war indes nicht schwer, und so durchquerten Cousin und Cousine im versammelten Trab die Unterwelt. Die geschäftig herumwuselnden Schatten dort hielten inne, wenn sie vorbeikamen, und schauten ihnen nach.
    Auf dem Pferderücken hatte Ralph ein wachsames Auge auf Beatrice. Würde sie sich als Untote verändern? Bisher schien sie noch ganz dieselbe zu sein.
    Als sie endlich die Lichtung erreichten, war diese aber leer. »Schau mal!«, sagte Beatrice und deutete auf die andere Seite. Annabelles Spur war auch hier unübersehbar.
    »Wow«, staunte Ralph, »die hat’s ja voll drauf! Hut ab vor den Untoten!«
    Sie trabten an dem verrotteten Tisch vorbei und folgten den Hinterlassenschaften von Annabelles Pferd. Selbst der zerstreuteste Fährtenleser hätte zielsicher den Eiskristallen zu folgen vermocht, die das untote Ross wie eine Sabberspur ins Unterholz rieseln ließ. Als die Grautöne wieder lebhafter wurden, erreichten Beatrice und Ralph schon bald die Befestigungsmauern der Stadt der Eben-noch-Lebenden.
    Annabelle war abgestiegen und lehnte atemlos an der Schieferwand. Beide Hände hatte sie auf den Schiefer gelegt, als wäre es das letzte Base beim Home-Run.
    »Was ist passiert? Wo ist der andere Reiter?«, fragte Ralph fröstelnd. Annabelle wirkte inzwischen noch geisterhafter. In der mitternächtlichen Finsternis, die im Land der Eben-noch-Lebenden herrschte, war sie eine schimmernde, leuchtende Verkörperung des Grauens.
    »Er ist noch gar nicht losgeritten!«, rief sie. Eigentlich war es eher ein Heulen, ein Geisterheulen eben. »Lord Gid hat versagt! Dann soll dies meine letzte Vergeltung sein!« Ihre Stimme wurde immer lauter. »Alle sollen wissen, dass jetzt das ganze Land im Besitz der Bald-Toten ist! Bleibt in eurer erbärmlichen Stadt, ihr Eben-noch-Lebenden! Außerhalb der Mauern werdet ihr euch nie wieder frei bewegen!«
    In der Stadt hörte man eine Stimme: »Was war das?«
    Dann eine zweite Stimme: »Weiß nicht. Irgendein Geist, glaube ich.«
    »Und warum macht dieses Gespenst hier Rabatz?«
    »… glaube, die haben das ganze Land erobert oder so was in der Art.«
    »Na, was soll’s!«
    Annabelle

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