Die Akte Daniel (German Edition)
einfach wieder raus. Keine Explosionen, keine Zerstörung des halben Planeten. Keine große Aufmerksamkeit der ganzen Welt. Kein Glühen der Telefonleitungen vom Nordpol bis zum Südpol. Keine Besuche beim Rat. Wo liegt das Problem? Ist irgendetwas daran nicht zu verstehen?«, fragte George rein rhetorisch und mit sehr viel leiserer Stimme, als sein vorwurfsvoller Monolog eigentlich verlangt hätte. Doch die Ruhe war nur augenscheinlich und Stella, Jeremy und Gordon, die mit gesenktem Kopf seit über einer halben Stunde zuhören mussten, wussten dies nur zu gut. Sie hatten Mist gebaut und ihr Chef war so sauer, dass die Luft um ihn herum vibrierte und ihnen die Härchen im Nacken und auf den Armen aufstellte. Obwohl er kein Begabter war.
»Einfach den Jungen befreien und ungesehen wieder verschwinden. Warum hat das nicht geklappt?«
Jeremy wollte etwas erwidern, aber Stella hielt ihn zurück und berichtete selbst: »Zuerst ging alles völlig reibungslos. Aber wir hatten auch nicht damit gerechnet, dass ein Dämon dort war. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Und unsere Hauptsorge galt dem Jungen, deswegen mussten wir zu etwas gröberen Methoden greifen.«
George kniff die Augen zusammen und wirkte nicht ernsthaft erstaunt. »Ein Dämon also. Ich habe den Bericht gelesen. Egal ob Dämon oder nicht: Warum ist die gesamte Anlage jetzt nur noch ein einziger Aschehaufen? Ich möchte nicht wissen, wie sauer sie jetzt wirklich sind. Der Junge ist nur ein Kind. Ihre gesamte Anlage in die Luft zu jagen bedeutet aber, dass wir uns warm anziehen dürfen. Sie wissen nicht, wo wir überall genau sind. Aber einige unserer Abteilungen schätze ich nach der Aktion als gefährdet ein. Ein entsprechender Bericht mit meiner Einschätzung liegt dem Rat vor. Ihr habt hiermit Innendienst. Versucht keinen weiteren Schaden anzustellen. Schade ist, dass ich euch nicht feuern kann! Es wäre mir ein persönliches Vergnügen gewesen und kommt dem Bedürfnis nach Rache, das ich die gesamte Zeit schon verspüre, ziemlich nahe.«
»George, es tut uns leid. Ich weiß, wir haben uns benommen wie die Anfänger. Das kommt nie wieder vor«, versprach Stella und gestand damit ihre Verantwortung und Schuld ein, und die beiden jungen Männer neben ihr nickten. George brummte nur abfällig und scheuchte dann die Missetäter aus dem Raum.
Draußen seufzten die Zwillinge synchron. »Innendienst, na toll!«
»Na ja, kann sein, dass sie auch noch etwas von unserem Gehalt einbehalten«, mutmaßte Stella, »Wir können froh sein, wenn wir noch ein Taschengeld kriegen.«
Sie musste jedoch zugeben, dass sie ausgesprochenes Glück hatten: Gekündigt wurden sie wirklich nicht. Aber man konnte sie jedoch für den Rest ihres Lebens zum Innendienst verdonnern. Und das konnte alles heißen, angefangen von endlosen Jagden durch Aktenregale über Brötchen schmieren für die Cafeteria bis hin zu Kampfunterricht für die Jugendlichen. Wobei Letzteres die Härteste aller Strafen sein konnte. Stella zog ihre Bluse zurecht.
»Sehen wir zu, dass George uns möglichst schnell wieder in Gnade sieht. Er hat ja recht, eigentlich ist nicht mal der Dämon eine Entschuldigung.«
»Nur nicht Kampfunterricht!«, jaulte Jeremy, der sich seinen Kopf hielt. Einer der angehenden Telekinetiker hatte ihm beim letzten Mal ein paar Bücher gegen den Kopf fliegen lassen. Das kam schon einmal vor, wenn ein noch ungeübter Telekinetiker sich nicht richtig konzentrierte.
Gordon klopfte ihm auf die Schulter. »Dann versenken wir uns in Aktenarbeit und suchen Begabte«, schlug er als Alternative vor, auch wenn das ziemlich langweilig war.
Stella seufzte. Darin waren sie nun wirklich keine Meister. Aber sie konnten die Träume der Wahrsager analysieren. Das war aufwendig und man vergaß darüber die Zeit. »Dann los, Jungs, bevor George in seinem heiligen Zorn beschließt, dass wir Flure fegen sollen oder so was«, verkündete Stella.
Auch wenn immer Unterricht für die Jugendlichen drohte, war sie am Liebsten hier in Hampshire; bei all der Aufregung, die der Job des Trackers normalerweise mit sich brachte, genoss sie ab und an auch den Frieden weit draußen und fernab von jeder Gewalt. Für ein, zwei Tage jedoch nur. Jetzt aber würde ihr Aufenthalt hier wohl länger werden.
Stella war jedoch neugierig, wie es ihrem letzten Schützling ging. Sicher machte der Kleine bereits seine ersten Gehversuche als angehender Hochtelepath des Ordo . Sicher war das nicht. Aber seine Akte zeigte, dass
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