Die Akte Daniel (German Edition)
nicht rein. Aber ich muss dir in einem Punkt recht geben: So kommen wir nicht weiter. Warum zum Beispiel ist das Blut zerfallen? Und warum ist lange vorher schon kein Gen mehr nachweisbar gewesen, obwohl das Blut noch als solches analysierbar gewesen ist? Und was für eine Substanz ist das hier eigentlich jetzt noch?« Er schüttelte das Reagenzglas, in dem sich das Pulver fast wie eine Flüssigkeit benahm. Christine erinnerte es an eine Art Graphitpulver.
»Vielleicht sollten wir einfach anfangen mit diesen Fragen. Danach sind wir sicher weiter, oder?« Christine klopfte Thorsen auf die Schultern und griff nach der Blutprobe. »Los, wir haben noch eine lange Nacht vor uns.«
Thorsen lehnte seine Stirn gegen den Schrank und schüttelte den Kopf. »Irgendwie hatte ich das geahnt. Aber ich bekomme sowieso heute keinen Schlaf mehr. Also: Wohl an. Lasst uns zu großen Taten schreiten!«
Seine Kollegin grinste ihn an und wirkte eindeutig zufriedener. »Das ist die richtige Einstellung«, meinte sie.
8
Auf einer Straße außerhalb Wellingborough in der Grafschaft Northamptonshire
Jason saß hinter dem Steuer seines Wagens und starrte seit gut einer halben Stunde auf die Fahrbahn, ohne wirklich irgendetwas zu sehen. Die Landschaft um Wellingborough bestand zum größten Teil aus Feldern, und die Beleuchtung der Straßen war kaum vorhanden. Ab und an huschte ein Hase über die Fahrbahn und Jason verdankte es eher der Schnelligkeit der Hasen und deren Wendigkeit, dass er bisher keine Todesopfer unter den Rädern seines Wagens abzukratzen hatte.
Neben ihm auf dem Beifahrersitz schlief ein zierliches Mädchen; man konnte es in der Finsternis kaum ausmachen, aber Jason wusste, dass sie milchkaffeebraune Haut und unzählige blauschwarze Zöpfe hatte.
Berenice Stockwell war sein neuester Auftrag gewesen. Völlig simpel: hinein ins Haus, das Kind betäuben, wieder weg. Sie war die Pflegetochter einer sehr wohlhabenden Familie, wohnte in einem weißen Haus mit einem klassischen Vorgarten, in dem ein kunstvoll geschnittener Buchsbaum stand. Berenice war ein Waisenkind gewesen, ausgesetzt an die Stufen eines anglikanischen Waisenhauses. Da sie niedlich war und ihre Haut recht hell, war sie schnell vermittelt worden. Ihre Fähigkeiten waren bisher keinem Menschen bekannt gewesen. Das erste Mal war es ihrer Familie jedoch wohl in ihrem sechsten Lebensjahr aufgefallen. Sie wollten es natürlich nicht glauben und dachten eher an eine Halluzination.
Die Foundation hatte von ihr erfahren aufgrund eines Zufalls. Es war meist so, wenn man ein Werwesen fand. Dieses Mal war es die Meldung eines Nachbarn gewesen, der gesehen haben wollte, wie eine kleine schwarze Katze sich in das Nachbarsmädchen verwandelte. Er wurde nicht ernst genommen. Doch der Bericht wurde an der richtigen Stelle abgefangen und letztlich führte er dazu, dass Jason endlich nach langer Durststrecke wieder einen Erfolg vorweisen konnte.
Das Mädchen seufzte neben ihm und bewegte sich leicht. Das Sedativum schwächte sich ab, genauso wie er es berechnet hatte. Die Medikamente waren gefährlich, wenn er sich verschätzte.
Schließlich blinzelte Berenice, als sie die letzten Reste der Betäubung abstreifte, und sah verwirrt um sich.
»Hey, was soll das?«, murmelte sie. Trotz ihrer erst dreizehn Lebensjahre hatte sie eine Stimme wie eine Soulsängerin, tief und rauchig. »Was mache ich hier?«
Für einen Moment hatte Jason das Gefühl, so etwas wie Verärgerung aufblitzen zu hören. Doch es war nur ein Eindruck, den er nicht überprüfen konnte. Jedoch selbst wenn es so gewesen war, es spielte keine sonderliche Rolle. Sie war ihm unterlegen und würde gehorchen.
»Du fährst mit mir, Berenice«, antwortete Jason geradezu sanft. Prinzipiell tat er keinem Kind Gewalt an, wenn er es mitnahm. War ein Kind widerspenstig, dann gab er ihm wieder Beruhigungsmittel.
Soweit es Jason wusste, waren die meisten Schmerzen, die seine Opfer ertragen mussten, die, die ihnen von den Wissenschaftlern beigebracht wurden.
»Das sehe ich auch«, gab die Kleine trotzig zurück. »Sind Sie ein Erpresser? Ich denke, meine Eltern würden ganz gut für mich zahlen.«
Jason setzte den Blinker und fuhr an den Straßenrand. Er holte zwei große McDonalds-Tüten vom Rücksitz. »Das ist für dich, wenn du Hunger hast«, meinte er.
»Oh, danke.« Berenice griff in die Tüte und zog einen Burger hervor. »Also, sind Sie nun ein Kidnapper? Sie sehen gar nicht so aus.« Sie
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